Schwimmhalle des Sachsenbades mit Skulptur „Ballspielerin“, 1929
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II7241, unbekannter Fotograf, 1929

Von 1929 bis 1994 stand eine Frau am Beckenrand der großen Schwimmhalle im Sachsenbad. Sie trug einen Schwimmanzug, unter dem sich deutlich ihr muskulöser Körper abzeichnete. In den Händen hielt sie einen Ball und einen Blumenstrauß. Sie war aus Bronze. Wer war sie und wie kam sie ins Sachsenbad? Diese Fragen, die sich während der Vorbereitung der Ausstellung „Dresdner Moderne“ 2019 stellten, können nun durch einen Aktenfund im Stadtarchiv Dresden – zumindest zum Teil – beantwortet werden.

Der erste Auftritt in Dresden

Plakat Kunstausstellung der Dresdner Kunstgenossenschaft 1928, Gestalter: Clemens Oskar Schanze https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kunstausstellung_Dresden_1928.jpg

Die mit etwa 2 Metern etwas überlebensgroße Skulptur „Ballspielerin“ mit kräftiger Statur stammt von dem Dresdner Bildhauer und Grafiker Eugen Hoffmann (1892 – 1955). Sie wurde der Öffentlichkeit vermutlich erstmals von Juli bis September 1928 in der Kunstausstellung der Dresdner Kunstgenossenschaft im Künstlerhaus präsentiert und auch im Katalog abgebildet.

Katalog Kunstausstellung der Dresdner Kunstgenossenschaft 1928

Damals war die Ballspielerin jedoch nur als Gipsmodell zu sehen, ein Bronzeguss war noch nicht erfolgt. Doch das Interesse der Kunst-Ankaufskommission der Stadt war geweckt und eine weitere Besichtigung im Atelier Hoffmann „zwecks eines Ankaufs für eine städtische Sportanlage“[1] wurde geplant. Von diesem Wunsch konnte Robert Sterl, Mitglied der Kommission, dem Bildhauer sogleich bei einem zufälligen Zusammentreffen mit Hoffmann berichten. Es wird ein Hoffnungsschimmer für den Künstler gewesen sein, der damals „ein trostloses Bild seiner Lage gab“, wie Sterl berichtete.[2]

Bereits Anfang November wurde dann vom „ganz ausgezeichneten künstlerischen Eindruck“ geschwärmt, den die Skulptur gemacht habe – „besonders auch im Hinblick auf ihre so geeignete Verwendung für die grosse Badeanstalt, zu der wir vorher im Hochbauamte die Planung besichtigt hatten“.[3]

Der parallel diskutierte Ankauf einer Arbeit von Sascha Schneider, insbesondere der Bronze „Der Sieger“, als posthume Ehrung des 1927 verstorbenen Künstlers, wurde aufgrund des Kaufs von anderer Seite obsolet.[4] In ihrer überfeinerten Darstellung eines schlanken, nackten Jünglingskörpers im klassischem Kontrapost unterschied sie sich erheblich von Hoffmanns Ausformung, die Frommhold einmal treffend als „monumentale Dekoration, ein sportliches Mädchen, etwa im Geiste der proletarischen Bewegung ‚Naturfreunde‘“ beschrieben hat. [5]

li.: Sascha Schneider: Knabe mit Siegerbinde, 1911, SKD, ZV 2574, Foto: Hans-Peter Klut/Elke Estel
re.: Eugen Hoffmann: Ballspielerin, Zustand 2019, Foto: Stadtmuseum Dresden/Martin Fiedler

Der Kauf der Frau

Eine Verwendung für das „Volksbad Pieschen“, später Sachsenbad genannt, lag aufgrund der Thematik der Skulptur und dem absehbaren Bauabschluss des großen Bäder- und Büchereikomplexes nahe. Und nachdem auch Stadtbaurat Paul Wolf die Aufstellung in der Längsachse des Schwimmbeckens „vom Standpunkt des Architekten und nach den Proportionen für sehr wirkungsvoll“ hielt, sprach von dieser Seite offensichtlich nichts dagegen.

Modell Volksbad Pieschen 1928
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XIII3643, unbekannter Fotograf, 1928
Grundriss 1. Obergeschoß Mai 1928
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II5437, Architekt Paul Wolf, 1928
Bauzustand Mai 1928
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II7181_2, unbekannter Fotograf, 1928

Nun ging es noch um den Preis, den Hoffmann selbst mit 9.000 RM veranschlagt hatte; 2.000 RM sollten dabei auf den Guss entfallen.[6] die Kommission ging für Guss und Ziselierung von 6.500 RM aus. Offensichtlich konnte der Stadtschreiber, Dr. Monse, den Künstler bei einem Termin im Rathaus auf diese 6.500 RM herunterhandeln. Großen Verhandlungsspielraum hatte Hoffmann vermutlich auch nicht. Nach Besichtigung des Modells des Volksbades zur Klärung des Aufstellungsplatzes stimmte er der Zahlung in drei Raten – vorab, nach Guss und nach Aufstellung – zu.

Innenaufnahme Modell, 1929
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II7187, unbekannter Fotograf, 1929

Die Stadt finanzierte den Ankauf mit Mitteln des Verschönerungsfonds der Dr. Güntzschen Stiftung[7].

Erster Auftritt in der Ferne

Auf die letzte Rate musste Hoffmann dann jedoch noch einige Zeit warten, denn er selbst hatte auf eine Anfrage aus Nürnberg hin die Skulptur bereits für eine dort geplante Ausstellung zugesagt. Der Bronzeguss, der nun für die Stadt angefertigt wurde, war daher erstmals in der Ausstellung „Sport in der Deutschen Kunst“ des Albrecht-Dürer-Vereins in Nürnberg zu sehen. Im Februar 1929 erfolgte die Abnahme der Skulptur in der Kunstgießerei Oswald Zinke in der Gabelsberger Straße, ab Mai bis vermutlich 21. Juli 1929 wurde sie dann in der Norishalle in Nürnberg präsentiert. Da die Fertigstellung des Volksbades mit Herbst 1929 avisiert wurde, war das für die Dresdner Stadtverwaltung unproblematisch. Die Nürnberger Schau unternahm laut Presse den „Versuch, eine engere Verbindung zwischen diesen beiden, unser Volksleben so stark beherrschenden Faktoren [Sport und Kunst] herzustellen“[8] und wurde zeitweise parallel zum deutschen „Arbeiter- Turn- und Sportfest“ gezeigt.

Plakat d 2. Arbeiter Turn- und Sportfest
Prag, Nationalmuseum, Sb. Posters, Inv. 1602

Neben Hoffmann waren in der Ausstellung aus Dresden noch Paul Berger, Georg Kind, Fritz Maskos, Otto Rost und Georg Wrba mit Werken vertreten.

Eine Anfrage zur geschlossenen Übernahme der Ausstellung durch die Stadt Magdeburg für September bis November wurde dann von der Stadt negativ beschieden, da die Eröffnung des Volksbades für den 1. Oktober 1929 geplant war. Eröffnet wurde das Bad dann tatsächlich am 2. November 1929 mit der Ballspielerin am Beckenrand.

Nächtlich beleuchtetes Sachsenbad, 20.12.1929
Stadtarchiv Dresden, 6.4.40 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II7248, unbekannter Fotograf, 1929

Mystifikationen und erste Berührungen

Zwischenzeitlich hatten sich auch andere Probleme bzw. Anfeindungen ergeben. Der Vorgang des Ankaufs wurde scharf kritisiert. Vorgeworfen wurde Hoffmann, dass er unter Umgehung der Kommissionen und unter Inkaufnahme der Schädigung der Kollegen direkt an die Stadt herantrete, um Verkäufe tätigen zu können: „Wie weit dabei eine künstlerische Gesinnungsreinheit und eine Arbeit leiden muß, zeigt die Tatsache, daß er auf der einen Seite als Mitglied der kommunistischen Partei dauernd unsere kulturellen Einrichtungen beschimpft und bekämpft, auf der anderen Seite als politischer Wolf im Schafspelz Konzessionen macht, um den eigenen Egoismus zu befriedigen.“ Seine „tschechische Nationalität“ verschlimmerte dies in der Wahrnehmung des Beschwerdeverfassers noch einmal.[9] Die Verfasserangabe stellte sich als falsch heraus, sodass der Angriff anonym erfolgte. Eine Identifikation des Drahtziehers für die „Mystifikation“[10] gelang anscheinend nicht.

Doch auch die Dresdner Kunstgenossenschaft beschwerte sich kurz darauf. Sie forderte die Abführung der Verkaufsprovision von 10 Prozent ein, da die Ankaufskommission durch ihre Ausstellung erstmals mit der Skulptur „in Berührung“ gekommen sei. [11] Umgehend wird jedoch im Rathaus durch den Stadtschreiber geklärt, dass der Ankauf erst längere Zeit nach Schluss der Ausstellung zustande gekommen sei. Eine Provision sei damit nicht abzuführen und würde ansonsten zu Lasten des Ankaufsetats gehen und damit die Künstler schädigen.[12] Die Kunstgenossenschaft ging damit leer aus.

Keine Frau mehr am Beckenrand

Mehrere Jahrzehnte und mehrere Generationen von Dresdner Schwimmerinnen und Schwimmern begleitete die Frau am Beckenrand standfest. Doch die Friedliche Revolution mit ihren wirtschaftlichen Umbrüchen bedeutete dann auch für sie den Rückzug aufs Trockene. Zur Sicherung wurde sie durch den Eigenbetrieb Sportstätten eingelagert.

Zustand Februar 2015
Foto: Hansjörg Nestler, Eigenbetrieb Sportstätten

Das Sachsenbad wies inzwischen einen sehr bedenklichen Zustand auf und wurde vermehrt das Ziel nächtlicher Partyeinbrüche. Kerzenreste auf der Skulptur legten davon Zeugnis ab. In diesem Zustand konnte sie die Autorin im Juni 2018 erstmal inspizieren.

Besichtigung Juni 2018
Foto: Mike Stephan

Sofort war klar, dass sie in der geplanten Ausstellung zur Dresdner Moderne präsentiert werden – ja einen Ehrenplatz erhalten sollte. Dafür musste sie gereinigt und zum Schutz mit einem mikrokristallinen Wachs überzogen werden. 2019 erfolgten diese Arbeiten durch den Metallrestaurator der Museen der Stadt Dresden, Martin Fiedler.

Frisch geputzt und gewachst wurde die „Ballspielerin“ in der Ausstellung zum beliebten Dreh- und Angelpunkt. Viele Besucherinnen und Besucher erinnerten sich, wie sie unter ihren wachsamen Augen den Kopf über Wasser gehalten hatten.

Blick in die Ausstellung im Stadtmuseum 2019
Foto: Stadtmuseum Dresden/Franz Zadniček

2021 hatte die „Ballspielerin“ im Rahmen des Skulpturensommers in Pirna noch einmal einen Gastauftritt, seitdem wird sie als Dauerleihgabe von der Städtischen Galerie Dresden verwahrt. Zunächst war dies noch unter der Option einer Wiederaufstellung im Sachsenbad nach Sanierung vereinbart worden. Doch nach dem Verkauf des Gebäudes im November 2021 wird es keine Frau mehr am Beckenrand geben: Der Käufer plant den Umbau zu Büroflächen mit Gastronomieangebot.

Update: Seit dem 17.8.2023 steht die „Ballspielerin“ im Foyer des Schwimmsportkomplexes Freiberger Straße in Dresden.

Die „Ballspielerin“ von Eugen Hoffmann im Foyer des Schwimmsportkomplexes Freiberger Straße, Foto: Museen Dresden / Sophie Arlet

[1] Sitzungsprotokoll der Kunst-Ankaufskommission, 19.10.1928. Dieses und alle weiteren Zitate stammen aus der Akte des Stadtarchivs Dresden, Bestand 2.3.1, Nr. 88.

[2] Robert Sterl an Stadtschreiber Dr. Monse, 24.10.1928.

[3] Robert Sterl an Oberbürgermeister Blüher, 5.11.1928.

[4] „Der Sieger“ wechselte während der Ausstellungszeit den Besitzer: von Hans Unger zu Dr. v. Mayenburg und sollte auf Schloss Eckberg aufgestellt werden. Der als Ersatz vom Kunstverein vorgeschlagene “Knabe mit Siegerbinde“, wurde als ungeeignet für eine Sportanlage abgelehnt.

[5] Erhard Frommhold: Die ersten zwei Jahrzehnte, in: Dresdner Hefte 6/1987, S. 6 – 22, hier S. 20.

[6] Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Kunstankaufskommission am 5.11.1928.

[7] Zur Stiftung siehe: https://www.stadtwikidd.de/wiki/G%C3%BCntz-Stiftung.

[8] Internationale Sammler-Zeitung, Nr. 12, 1929, S. 142.

[9] i. A. Schambach an Oberbürgermeister Blüher, 8.11.1928.

[10] Monse an Hofrat Schambach, 12.11.1928.

[11] Martin Pietzsch an Oberbürgermeister Blüher, 12.01.1929.

[12] Monse an Eugen Hoffmann, 12.11.1929 und der Rat zu Dresden an Kunstgenossenschaft, 19.11.1928.