Bronze-Gussmedaille 1920 (von Karl Goetz) auf die Übergriffe der französischen Besatzungsmacht gegen die Zivilbevölkerung. Vs.: Französischer Helm als pfälzischer Gesslerhut auf Liktorenbündel, seitlich werden Frauen und Männer getrennt abgeführt, Umschrift. Rs.: Nackte Frau an Riesenarm gefesselt, bedrängt von Mann, Umschrift. 59 mm. Kienast 265 (Stadtmuseum Dresden SMD/N/1981/01159)

Gastbeitrag von Achim Feldmann

Wir zeigen hier eine Bronze-Gussmedaille von 1920 auf die Übergriffe der französischen Besatzungsmacht gegen die Zivilbevölkerung in der Pfalz. Sie stammt aus dem Bestand des Stadtmuseums Dresden und misst etwa 59 mm.  Auf der Vorderseite sieht man einen französischen Helm auf einem Rutenbündel mit Beil, das als Symbol für Frankreich steht. Links davon werden Frauen und Mädchen von Soldaten verfolgt, rechts werden Männer von einem Soldaten als Gefangene abgeführt. Vorne liegt eine Frau auf dem Boden. Oben liest man die Umschrift „DER GESSLERHUT IN DER PFALZ“. Die Rückseite zeigt als Symbol für die Besatzungsmacht einen aus dem Boden ragenden Riesenarm, an den eine nackte Frau gefesselt ist, die von einem Mann im Bastrock mit einem Zweig gepeinigt wird, während ein anderer Soldat zusieht und im Hintergrund weitere Männer in Baströcken herandrängen. Überschrieben ist die Darstellung mit „IM JAHR DES HEILS 1920“. Es handelt sich offensichtlich bei beiden Darstellungen um Karikaturen, die rassistische Stereotype aufrufen. Entsprechend damals gängiger Vorurteile werden die Männer durch Kleidung, Körperschmuck, Aussehen und Verhalten bewusst in rassistischer Überzeichnung als vermeintlich zügellose wilde Schwarze mit niederen Instinkten gezeigt. Das Exemplar stammt von dem Medailleur Karl Goetz (1875-1950) und ist Teil einer Serie von Stücken mit ähnlicher Thematik und Gestaltung. Dabei werden die Übergriffe der französischen Soldaten im besetzten Rheinland und in der Pfalz gegen die deutsche Bevölkerung satirisch angeprangert, wobei insbesondere Kolonialsoldaten stark überzeichnet dargestellt werden.

Medaillen gibt es seit dem 14. Jahrhundert und man unterscheidet drei Arten: die Preis- und Verdienstmedaillen, die Erinnerungs- sowie die Kunstmedaillen. Die Preis- und Verdienstmedaillen werden für eine bestimmte Leistung, die jemand erbracht hat, verliehen. Erinnerungsmedaillen sollen die Erinnerung an bestimmte Ereignisse oder Personen wachhalten. Kunstmedaillen sind eine spezifische Form des künstlerischen Ausdrucks. Künstler verarbeiten und deuten darin die sie umtreibenden Themen. Die meisten der Schöpfungen von Karl Goetz gehören zu dieser Kategorie.

Karl Goetz vor einigen seiner Medaillen, Ende der 1920er-Jahre, Postkarte (Sammlung Achim Feldmann)

Karl Goetz war einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Medailleure des 20. Jahrhunderts. Da er zwischen 1905 und 1946 fast alle wichtigen Ereignisse der damaligen Zeit auf die Medaille gebannt hat, lesen sich seine Werke wie eine Bilderchronik der politischen und sozialen Geschichte vom Kaiserreich bis zum Ende des Dritten Reiches. Sein Gesamtwerk umfasst über 700 verschiedene Medaillen.

Goetz wurde 1875 in Augsburg geboren. Ab 1888 erlernte er vier Jahre lang in der Lehre bei einem Graveur die handwerklichen Fähigkeiten im Stempelschneiden und Gravieren. Nach seiner Ausbildung begab er sich auf „Wanderschaft“ in verschiedene Städte Deutschlands und des Auslands, um durch die Arbeit bei bekannten Firmen seine künstlerischen Fähigkeiten zu vervollkommnen.

Vom 1. Juli bis 2. November 1895 war er in Dresden bei den sächsischen Hofgraveuren Cohne & Northmann als Graveurgehilfe tätig.

Sitz von Cohne & Northmann an der Ecke Seestraße/Ringstraße, Postkarte, um 1905 (Stadtmuseum Dresden, SMD/Ph/2002/00017)

Er wechselte am 3. November 1895 zur Firma Hugo Kuntze nach Leipzig, wo er bis zum bis 27. Juni 1896 arbeitete. Nach weiteren Aufenthalten in Berlin und Düsseldorf sowie in den Niederlanden und in der Schweiz wagte er es schließlich im Jahre 1899 nach Paris, die Hauptstadt der europäischen Kunst, zu gehen. 1904 kam er nach München, das zu dieser Zeit ein Zentrum der Kunst im Allgemeinen und der Medaillenkunst im Besonderen war. Er erarbeitete sich nach und nach die richtigen künstlerischen und geschäftlichen Beziehungen. Goetz war ein guter Geschäftsmann und konnte allein von seiner Medaillenkunst ordentlich leben. Als Themen hat er stets die aktuellen Jubiläumsfeiern und Ehrungen genutzt, durch die seine Medaillen bekannt und begehrt wurden. Am 8. September 1950 ist er im Alter von 75 Jahren in München gestorben.

Karl Goetz´ satirische Medaillen

Bekannt ist Goetz für seine satirische Medaillenserie zwischen 1914 und 1924. Der Erste Weltkrieg mit seinen politischen Verwicklungen gab ihm genügend Stoff für seine glorifizierenden und kritischen Werke. Nach dem Krieg kommentierte er die deutsche Revolution (1918/19), den Versailler Vertrag (1919), die Besetzung des Rheinlandes (ab 1919) und des Ruhrgebietes (1923-25) sowie die Zeit der Inflation (1914-23). Die insgesamt 175 satirischen Medaillen gehören bis heute zu den begehrtesten Stücken des Künstlers.

Karikatur, Satire und Spott können zu eigenen Quellen für die geschichtliche Erforschung der Vergangenheit werden. Sie lassen auf Stimmungen in der Bevölkerung, auf die jeweilige Empfänglichkeit der Betrachterinnen und Betrachter schließen. Satire muss immer tagesaktuell sein. Angeblich hat Goetz bei manchen seiner Medaillen morgens von einem Ereignis in der Zeitung gelesen, bis spätmittags an dem zeichnerischen Entwurf gearbeitet und abends mit der plastischen Ausarbeitung begonnen. So konnte schon einige Tage später das fertige Produkt angeboten werden.

Nach der Niederlage Deutschlands 1918 wurden fast die gesamte preußische Rheinprovinz, die bayerische Pfalz und Teile von Hessen bis 1930 von französischen Truppen besetzt.

Die Besatzung wurde als tiefe Demütigung empfunden, nicht zuletzt, da die Sieger massiv in den Alltag der Menschen eingriffen: Häuser und Wohnungen wurden beschlagnahmt, Passvorschriften schränkten die Freizügigkeit ein, Zeitungen wurden zensiert oder verboten. Auch die Wirtschaft hatte erheblich zu leiden, da Maschinen und Transportfahrzeuge eingezogen wurden.

Beinahe die Hälfte der 85.000 stationierten französischen Soldaten stammte aus Algerien, Marokko, Westafrika, Tunesien und Madagaskar. Sie wurden – trotz gegenteiliger Beteuerungen –  von den Franzosen durchaus bewusst eingesetzt, unter anderem um der deutschen Bevölkerung ihre Niederlage besonders deutlich vor Augen zu führen. Nicht-weiße Soldaten erhielten eine Machtposition, die von der Bevölkerung des Rheinlands aufgrund der vorherrschenden Vorstellung einer weißen Überlegenheit als Demütigung empfunden wurde.

Rassistische Darstellung eines Kolonialsoldaten in einem Sammelbilder-Album aus der Zeit des „Dritten Reiches“ (Der Weltkrieg, S. 70, Nr. 259)

Es wurde nun ein allgemeiner Propagandafeldzug gegen die Kolonialsoldaten eröffnet, der auch von offiziellen Stellen – etwa dem Reichsministerium des Innern – unterstützt wurde. Die Kampagne dauerte von 1920 bis 1923 und bediente sich der zeitgenössischen Ideologie, die die europäischen Menschen in Abgrenzung zu anderen Kulturen und Gruppen als besonders hochwertig einstufte. Die deutsche Propagandakampagne operierte entsprechend mit Schlagworten wie „Schwarze Schande“, „Negerpest“1, „Schwarzer Schrecken“ oder „Schwarze Schmach“ und wies deutlich rassistische Züge auf. In Karikaturen wurden die Kolonialsoldaten als Kannibalen oder als Menschenaffen dargestellt. Im Zentrum der Argumentation standen die nachweislich erfundenen massenhaften Gewalttaten und sexuellen Übergriffe der Soldaten aus den französischen Kolonien auf deutsche Frauen und Kinder.2 Trotz aller Gräuelpropaganda war das effektive Verhältnis der Bevölkerung in der Besatzungszone zu den nicht-weißen Soldaten jedoch nicht schlechter als dasjenige zu den anderen französischen Besatzungstruppen.

Karl Goetz hat in seiner satirischen Medaillenserie mehrere Stücke gestaltet, die sich mit der französischen Besatzungspolitik befassen. Die Kolonialsoldaten und ihre angeblichen Exzesse sind dabei nur ein Thema unter mehreren. Eine seiner berüchtigtsten Medaillen zeigt auf der Vorderseite unter der Umschrift „DIE SCHWARZE SCHANDE“ einen behelmten Phallus, an den eine nackte Frau gefesselt ist. Die Rückseite stellt einen Schwarzen Kolonialsoldaten mit stark überzeichneten wulstigen Lippen und großen Ohrpflöcken dar. Diese Medaille brachte ihm eine Anklage wegen Herstellung und Verbreitung anstößiger und unmoralischer Werke ein, die jedoch durch hochrangige Bekannte abgewendet werden konnte.


Eine andere Medaille mit der Umschrift „WÜSTLINGE AM RHEIN“ zeigt eine Kleinstadt, auf deren Straßen sich Tumulte abspielen; auf den Häusern steht „MAROKKANERBORDELL“ und „LUSTHAUS FÜR NEGER“. Auf der Rückseite wird ein Messer gezogen, im Hintergrund führen Schwarze Soldaten Frauen mit sich.

Die von Goetz gewählten Darstellungen dürften damals allgemein auf Zustimmung gestoßen sein. Allerdings muss man auch sehen, dass seine Werke nur in einer Gesellschaftsschicht rezipiert wurden, die sich die Anschaffung von Kunst leisten konnte. Goetz‘ Medaillen waren keine Massenprodukte, die propagandistisch auf die breite Bevölkerung einwirken konnten. Dies wurde durch Presseberichte und Flugblätter erreicht. Seine Werke – Goetz selbst kann als deutschnational bezeichnet werden –  reihen sich ein in den damaligen „Mainstream“, waren dort aber doch nur kleine Mosaiksteinchen, die vermutlich wenig Breitenwirkung gehabt haben. Auch andere Künstler haben Medaillen mit diesem Thema gestaltet.

Das hier behandelte Stück zeigt auf der Vorderseite groß ein Liktorenbündel mit Beil, auf dem ein französischer Helm aufgesetzt ist. Dieses Rutenbündel stammt ursprünglich aus der altrömischen Gesetzespraxis, steht in diesem Zusammenhang aber stellvertretend für die französische Republik. Der Helm verweist darauf, dass die Republik von Soldaten repräsentiert wird. Beiderseits des Liktorenbündels wird in den Motiven ersichtlich, wie sich das nach Ansicht des Künstlers auswirkte. Eine vielschichtige Darstellung auf engem Raum also, die die Meinung der Betrachter in eine bestimmte Richtung lenken will. Die Umschrift fügt noch eine neue Ebene hinzu. Der „Gesslerhut“ bezieht sich auf das Theaterstück „Wilhelm Tell“ von Friedrich von Schiller (1804), worin es ebenfalls um die Besetzung eines Landes durch fremde Truppen geht. Dort wird berichtet, dass auf einer Säule ein Hut aufgesteckt sei, den jedermann genauso zu grüßen habe wie den Träger des Hutes selbst: den Landvogt Hermann Gessler. Wilhelm Tell weigert sich, den Gesslerhut zu grüßen, und muss daher zur Strafe mit der Armbrust den Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen.

Hieran anknüpfend ist der „Gesslerhut“ sprichwörtlich geworden für eine Einrichtung, deren einziger Zweck die öffentliche Erzwingung untertänigen Verhaltens ist. Der französische Helm ist der neue Gesslerhut, dem die Ehre gezollt werden muss. Die Interalliierte Rheinlandkommission3 hatte eine Grußpflicht aller uniformierten deutschen Beamten gegenüber französischen Offizieren verfügt, außerdem eine Grußpflicht aller Deutschen gegenüber der Trikolore bei bestimmten Anlässen. Diese Grußpflicht galt bis zum Ende der Besatzung im Jahre 1930. Goetz kritisiert diese Auswüchse der Besatzungspolitik auf seiner Medaille.

Seine Anklage geht hier aber noch weiter: Männer und Frauen werden von Besatzungssoldaten verfolgt und verschleppt. Hierbei werden besonders die nicht-weißen Soldaten als übergriffig gegenüber Frauen dargestellt.

Die Medaille steht exemplarisch für Goetz‘ künstlerische Auseinandersetzung mit der Situation Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg. Gerade für die Thematik der Rheinlandbesetzung greift er dabei stark auf Überzeichnung und rassistische Stereotype zurück.


Achim Feldmann: Geschichtsstudium in Köln, seit 25 Jahren im Münzhandel in München tätig, bei der Firma Münzgalerie München für die Bearbeitung altdeutscher Münzen, Medaillen sowie Orden und Ehrenzeichen zuständig. Seit 15 Jahren Forschungen über die Geschichte der Medaillenkunst, insbesondere über Leben und Werk des Medailleurs Karl Goetz (1875-1950).


  1. Das N-Wort ist eine Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen. Es war in der Zeit des Kolonialismus untrennbar mit der Abwertung, Unterdrückung und Versklavung afrikanischer Menschen verbunden und ist bis heute ein explizit rassistischer, die Würde des Menschen verletzender, Begriff. ↩︎
  2. Der Begründer des ‘Notbundes’, der Ingenieur und Publizist Heinrich Distler, nennt sich auf einem gleichzeitigen Flugblatt ‘Deutschlands unerschrockensten Kämpfer um die Reinheit deutschen Blutes’. Auf dem erwähnten Flugblatt führte Distler elf (dürftig belegte) Einzelfälle von Übergriffen auf. Distler spielte eine zentrale Rolle in der Propagandakampagne, war jedoch bereits damals aufgrund seiner starken Übertreibungen und nicht genehmigten Geldsammlungen umstritten. ↩︎
  3. Oberste Verwaltungsbehörde der vier alliierten Besatzungsmächte – Frankreich, USA, Belgien, Großbritannien – nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. ↩︎

Literatur

Allen, Henry T.: The Rhineland Occupation. Indianapolis 1927.

Anschläge. Politische Plakate in Deutschland 1900-1970. 166 Blätter in den Druck- und Papierfarben der Originale. Hg. von Friedrich Arnold; Ebenhausen 1972.

Kienast, Gunter W.: The Medals of Karl Goetz; Cleveland (Ohio) 1967, Neu 1980, 2013.

Köhler, Henning: Französische Besatzungspolitik 1918-1923, in: Peter Hüttenberger/Hansgeorg Molitor (Hg.): Franzosen und Deutsche am Rhein 1789-1918-1945 (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd. 23); Essen 1989, S. 113–126.

Koller, Christian: „Afrika am Rhein“. Zivilbevölkerung und Kolonialtruppen im rheinischen Besatzungsgebiet der 1920er Jahre, in: Günther Kronenbitter/Markus Pöhlmann/Walter Dierk (Hg.): Besatzung. Funktion und Gestalt militärischer Fremdherrschaft von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Paderborn u.a. 2006, S. 105–117.

Schultz, Joachim: Die “Utschebbes” am Rhein. Zur Darstellung schwarzer Soldaten während der französischen Rheinlandbesetzung (1918-1930), in: János Riesz/Joachim Schultz (Hg.): “Tirailleurs Sénégalais”. Zur bildlichen und literarischen Darstellung afrikanischer Soldaten im Dienste Frankreichs – Présentations littéraires et figuratives de Soldats Africains au service de la France (Bayreuther Beiträge zur Literaturwissenschaft, Bd. 13); Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989, S. 75–100.

Der Weltkrieg. Hg. von Cigaretten-Bilderdienst Dresden; Dresden o. J. (1937).

Wigger, Iris: Die “Schwarze Schmach am Rhein”. Rassistische Diskriminierung zwischen Geschlecht, Klasse, Nation und Rasse; Münster 2007.