Es ist wie im wahren Leben: Wenn Wohn- und Schlafzimmer vom größten Schmutz befreit sind und wieder halbwegs vorzeigbar aussehen, lauern noch die Küche und das Bad mit nur schwer erreichbaren Schmutzecken. In der Restaurierungswerkstatt der Museen der Stadt Dresden werden derzeit Wohnungs- und Stadtmodelle für eine Sonderausstellung zum Plattenbau aufbereitet. Dabei kommen überraschend einfache Mittel zum Einsatz und manchmal gibt es böse Überraschungen. Dann ist Raffinesse gefragt.

Zur Sammlung des Stadtmuseums gehören viele Architekturmodelle, die vor allem Häuser und Stadtstrukturen veranschaulichen, aber auch einzelne Wohnungen zeigen. Wenn sie ihren Weg ins Museum finden, sind sie oft schon in schlechtem Zustand. Holzrestaurator Holger Meyer-Doberenz sichert und säubert die Modelle und bereitet sie für ihren Einsatz in einer Sonderausstellung zum Plattenbau in Ost- und Westdeutschland vor, die im Herbst 2025 gezeigt werden soll. Schon jetzt müssen die Objekte vorbereitet werden, denn das Prozedere ist aufwendig.

Derzeit stehen in der Restaurierungs-Werkstatt die Ansicht einer „Vierzimmerwohnung für die Bedürfnisse eines Angehörigen der werktätigen Intelligenz“ und ein Vorschlag für eine Elbbrücke direkt neben dem Blauen Wunder. Im Interview erklärt der Restaurator, wie er bei seiner Arbeit vorgeht und welche Tücken die verwendeten Materialien bereithalten.

Holzrestaurator Holger-Meyer Doberenz bei der Arbeit an einem Wohnungsmodell der Deutschen Bauakademie von 1954, Foto: Sophie Arlet

Redaktion: Gerade arbeiten Sie an einem Modell aus den 1950er Jahren der Deutschen Bauakademie. Es zeigt eine Drei- und eine Vierraumwohnung. Die Einrichtung ist so detailreich, dass es sich auch um eine teure Puppenstube aus dem Spielzeugladen handeln könnte.

Meyer-Doberenz: Hier hat sich jemand ziemlich viel Mühe gegeben. Es ist alles aus Holz gebaut und bemalt worden. Teppiche, Fußbodenbeläge, die Farbe der Sitzpolster und des Bettbezugs sind aufs Holz gemalt. Es gibt auch kleine Details wie die Griffe an Türen und Schränken oder am Ofen und die Klappen sind alle dargestellt. Und so kleine Teile wie die Tische und Stühle zusammenzubauen oder eine Polstergarnitur aus Holz zu schnitzen, das ist schon aufwendiger. Und für so einen Wasserhahn mussten ein paar Teile zusammengelötet werden.

Redaktion: Worin besteht die Schwierigkeit, Architekturmodelle zu restaurieren?

Meyer-Doberenz: Meist sind sie nicht für die Ewigkeit gedacht, sondern nur für einen kürzeren Zeitraum, in dem man etwas vorführen und zeigen will. Deshalb sind sie aus nicht alterungsbeständigen Materialien hergestellt worden. Das stellt dann häufig ein Problem dar. Es gibt viele Modelle, bei denen Kunststoffe verwendet worden sind, die anfangen, sich zu zersetzen und zu zerbröseln. Es gibt andere Modelle, die durch Transporte beschädigt worden sind. Vor allem waren sie nicht vor Staub geschützt, da man sie ja offen hinstellt. Und nach zwei Jahren wird das Modell nicht mehr gebraucht und erstmal irgendwo in den Keller oder auf den Boden gebracht. Und danach erst kommen sie zu uns ins Depot. Dann sind sie meist schon beschädigt.

Sich zersetzende Kunststoffe sind das größte Problem bei der Restaurierung von Architekturmodellen. Manchmal ist ein Erhalt dann nicht mehr möglich. Foto: Holger Meyer-Doberenz

Redaktion: Was ist das Ziel der Restaurierung – soll alles wieder wie neu aussehen?

Meyer-Doberenz: Zunächst geht es wie bei jeder Restaurierung um die Erhaltung der Originalsubstanz. Ich versuche erstmal nur zu reinigen. Das gelingt schon nicht immer. Manche Oberflächen sind aus rauem, porösem, wasserlöslichem Material, in das sich der Staub durch Feuchtigkeitseinwirkungen schon in Farbschichten reingefressen hat und gar nicht mehr richtig rauszukriegen ist. Aber ich versuche das, was man abnehmen kann, was man reinigen kann, abzunehmen. Dafür gibt es verschiedene Methoden. Ich versuche es abzusaugen und zu bürsten, mit speziellen PU-Schwämmen, die eine besonders feine Struktur haben und sehr viel Schmutz aufnehmen können und ihn auch festhalten und nicht wieder loslassen. So kann man mechanisch, mit leichtem Druck, Verunreinigungen abnehmen. Dann muss man erstmal sehen, was dabei herauskommt. Das kann ein Zustand sein, bei dem man sagt, das ist in Ordnung so. Das Modell ist ja auch zehn oder mehr Jahre alt. Gewisse Gebrauchsspuren darf es dann auch haben – dazu zählt auch, dass es mal staubig geworden ist. Oder aber es hat im Keller oder auf dem Boden gestanden und Wasser ist draufgetropft, sodass man sehen muss, ob man mit weiteren Maßnahmen Verbesserungen erreichen kann oder ob es so bleiben muss. Das stellt sich oft erst während der Arbeiten heraus.

Reinigung mit Pinsel und Staubsauger, Foto: Sophie Arlet

Redaktion: Wie gehen Sie vor, wenn Teile fehlen oder abgebrochen sind – bei den Modellen beispielsweise ein Haus oder ein Stuhlbein. Bauen Sie das nach?

Meyer-Doberenz: Ich versuche, so wenig wie möglich zu ersetzen. Mitunter bemerkt man nicht, dass ein Teil fehlt, weil es verdeckt ist. Dann ist es nicht zwingend notwendig, es zu ersetzen. Es geht ja um das Erscheinungsbild, es muss der Eindruck hergestellt sein, den das Modell vermitteln soll. Und solange der Eindruck erkennbar und ablesbar ist, reicht das aus. Man muss nicht überall alles ergänzen und ersetzen. Es gibt natürlich auch den Fall, dass sehr prägnante Dinge fehlen. Dann würde ich auch Teile ergänzen. Zum Beispiel bei dem Stadtmodell, bei dem eine ganze Häuserzeile fehlt, die zur Gesamtsilhouette dazugehört. Wenn aber bei einer Vielzahl von Häuschen irgendwo ein kleines fehlt, das man beim ersten Hinblicken gar nicht bemerkt, dann ist es nicht zwingend notwendig, es zu ergänzen.

Modell einer Elbquerung neben dem Blauen Wunder. Das fehlende Haus im Vordergrund wird nachgebaut und ergänzt. Foto: Sophie Arlet

Redaktion: Machen Sie die Modelle jetzt „nur“ für die Ausstellung fit oder denken Sie darüber hinaus?

Meyer-Doberenz: So denkt ein Restaurator ohnehin, dass es an sich für die Ewigkeit erhalten werden soll. Man kann dem nicht gänzlich nachkommen, die Materialien unterliegen alle einem mehr oder weniger großen Verfall. Aber man kann das aufhalten und man kann dafür sorgen, dass es wenigstens so lange wie möglich hält. Häufig gibt es Grundplatten, die mitunter aus mehreren Teilen hergestellt sind wegen der Größe des Modells. Wenn man dann bei Transporten außen am Rand anfasst, biegen sie sich durch, über die Fugen hinweggehende Bauelemente brechen ab und das Modell wird beschädigt. Deshalb sind des Öfteren bei solchen Modellen Stabilisierungsmaßnahmen der Grundplatte notwendig, damit das Modell bei Transporten keinen Schaden nimmt. Denn ein Modell wird selbstverständlich transportiert, auch im Museum. Es kommt ins Depot, es wird dort vielleicht nochmal umgeräumt, man will ein Foto davon, dann wird es wieder rausgeholt aus dem Regal, an einen Ort zum Fotografieren gebracht und auch wieder zurück, dann in die Ausstellung. Deshalb ist es am wichtigsten, dass das Modell transportfähig ist. Und damit das Modell nicht wieder einstaubt, bekommt es ein Häuschen, einen Verschlag, der dann mit Folie bespannt ist und das Modell vor Staub schützt. Sowohl im Depot als auch auf Transporten ist es dann sicherer untergebracht und man muss nicht jedes Mal wieder Staubschichten entfernen. Denn das hat auch eine Grenze. Der Staub ist wie ganz feines Schleifmittel und man schleift auch von der Oberfläche etwas ab. Teile des Staubs bleiben drauf und die Oberfläche, die vielleicht vorher glänzend war, ist jetzt aufgeraut worden und damit matt. Deshalb muss man auch dafür sorgen, dass das Modell künftig so wenig wie möglich einstaubt.

Eine Grundplatte aus mehreren Teilen erschwert den Transport des Modells. Foto: Holger Meyer-Doberenz

Redaktion: Sie haben hier einen Staubsauger, eine Pinzette, einen Pinsel und Wattestäbchen. Arbeiten Sie mit Dingen, die wir alle zu Hause haben oder gibt es auch ganz spezielle Mittelchen?

Meyer-Doberenz: Der Staubsauger ist schon ein speziellerer, denn er hat spezielle Filter. Es kommt in den Modellen mitunter Schimmel vor und wenn man den einfach so absaugt, verteilt man die Sporen im Raum. Es gibt auch besondere Düsen für Staubsauger, die man im Haushalt nicht hat. Ansonsten sind es Wattestäbchen, Wattepads und die speziellen PU-Schwämme, die man auch mit Pinzetten halten muss, weil das Modell zu kleinteilig ist. Irgendwelche Tinkturen mixe ich nicht an, denn im ersten Schritt geht es nur um eine Trockenreinigung und dann muss man auch erst sehen, ob überhaupt andere Reinigungsverfahren möglich sind. Bei diesem Modell zum Beispiel sind alle Farben wasserlöslich. Insofern ist es schwierig, mit Flüssigkeiten zu arbeiten. Man kann natürlich auch über andere Flüssigkeiten nachdenken, Alkohol zu Beispiel. Aber das ist schwierig und vorerst nicht vorgesehen. Häufig erreicht man mit einer Trockenreinigung viel und bei vielen Modellen, die nicht so stark verschmutzt und verschimmelt sind, reicht das auch aus.

Mit kleinem Gerät in jede Ecke: Hausputz im Kleinformat. Foto: Sophie Arlet

Redaktion: Welche Materialien bereiten Ihnen am meisten Kopfzerbrechen?

Meyer-Doberenz: Die aus Kunststoff hergestellten Modelle sind an sich die problematischsten. Weil man einige Kunststoffe nicht erhalten kann. Es gibt ganze Studien dazu und man ist zu keinem Erfolg gekommen. Aber die Aussagen dazu sind, es muss bei relativ geringer Feuchtigkeit, etwas dunkel und kühl aufbewahrt werden. Das wiederspricht natürlich einer Ausstellung, weil diese Möglichkeiten nicht geboten sind und selbst in einem Depot hat man nicht überall die Möglichkeiten, bestimmte Temperaturen herzustellen oder eine bestimmte geringere Luftfeuchtigkeit. Sondern man ist von den klimatischen Bedingungen und den baulichen Gegebenheiten des Depots abhängig. Insofern sind Modelle aus Kunststoff sehr problematisch und man kann häufig gar nichts machen. Das ist die schwierigste Gruppe.

An einem Kunststoff-Modell eines 17-geschossigen Wohnhochhauses zeigen sich starke Schäden und es wurde notdürftig gesichert. Weichmacher tritt großflächig als ölige Flüssigkeit aus, die rechte Front ist bereits aufgerissen und deformiert. Foto: Claudia Quiring

Dagegen sind Modelle aus Holz oder Gips einfacher in der Handhabung und sind besser zu erhalten. Während die Kunststoffe eben einem natürlichen Verfall ausgesetzt sind. Die Weichmacher treten aus und das ist an sich nicht aufzuhalten.

Redaktion: Vielen Dank für die interessanten Einblicke.

Für die geplante Ausstellung wurden aktuell 13 Architekturmodelle zur Sichtung und Restaurierung vorausgewählt. Welche dann 2025 wirklich zu sehen sein werden, steht jetzt noch nicht fest. Das hängt neben den Ergebnissen der Restaurierung auch von den Erkenntnissen der inhaltlichen Recherchen ab, die parallel in den nächsten Monaten von der Kuratorin durchgeführt werden.