Carl Maria von Weber, der ab 1818 regelmäßig in den Sommermonaten einige Zimmer im Hosterwitzer Winzerhaus mietete, musste seine eigenen Möbel in das bescheidene Domizil mitbringen. Er liebte die ruhige und abgeschiedene Lage des Hauses inmitten von Weinbergen und Natur, auch die Nähe zur Sächsischen Schweiz begeisterte und inspirierte den Komponisten. So entstanden hier zahlreiche seiner Kompositionen. Der Umzug in die „Sommerfrische“, der jeweils im Frühjahr stattfand, war sehr aufwendig. Unter dem Mobiliar, welches nach Hosterwitz gebracht wurde, befand sich auch ein Tafelklavier, das Weber zum Komponieren und Musizieren nutzte. Dieses Instrument wurde später im Körnermuseum aufbewahrt und verbrannte bei der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945. Lediglich ein Foto dokumentiert das Aussehen und die Größe, wobei der Hersteller des Instruments nicht mehr erkennbar ist.

Carl Maria von Webers Tafelklavier verbrannte 1945 im Körnermuseum.
Foto: Walter Möbius, 1936, © Deutsche Fotothek / Walter Möbius

Ein namenloses Klavier in der bisherigen Dauerausstellung

Als man 1957, nach dem Tod von Carl Maria von Webers Urenkelin Mathilde von Weber, das Museum in Hosterwitz einrichtete, suchte man nach einem Tafelklavier, um einen authentischen Eindruck von Webers Lebenswelt zu vermitteln. Das Instrument, das von 1958 bis 2021 in der Dauerausstellung des Weber-Museums ausgestellt war, trägt keinen Markennamen und eine Zuordnung zu einer Werkstatt oder einem Herkunftsort ist nicht möglich. Angeblich stammt dieses Instrument aus Thüringen und hat keinen Bezug zu Dresden.

Da es sich um ein kleines und doch recht frühes Tafelklavier handelt, versuchte bereits Dorothea Renz (Leiterin des Museums von 2005 bis 2020) dieses Instrument restaurieren zu lassen. Sie holte die Meinung von Experten ein, die jedoch die Kosten einer Restaurierung so hoch einschätzten, dass sie die finanziellen Möglichkeiten des Museums stark überfordert hätten und in keinem Aufwand-Nutzen-Verhältnis standen. 2021 wurde ein erneuter Anlauf genommen, das Instrument zu restaurieren. Wiederum wurden Meinungen von Experten eingeholt.

Matthias Ahrens, Klavierrestaurator aus Leipzig, ist auf historische Tasteninstrumente spezialisiert. Er untersuchte das Instrument genau und stellte fest, dass es keinerlei Markierungen oder Hinweise auf die Herkunft des Instrumentes gibt. Auch übliche Bleistiftbeschriftungen von Restauratoren o. ä. waren nicht vorhanden. Zudem waren der Rahmen und die Substanz des Instrumentes so stark geschädigt und verzogen, dass sich eine Restaurierung für ein „No-Name-Instrument“ ohne Hintergrundgeschichte nicht gelohnt hätte, da zudem keine Garantie für eine zukünftige Spielbarkeit des Instrumentes gegeben werden konnte. Matthias Ahrens hatte jedoch in seiner Werkstatt gerade ein außergewöhnliches Instrument restauriert: ein Tafelklavier, welches um 1810 in der Dresdner Werkstatt von Ernst Rosenkranz hergestellt worden war.

Zum Dresdner Klavierbauer Ernst Rosenkranz

Ernst Philipp Rosenkranz wurde 1773 in Zerbst/Anhalt geboren und erlernte in Dresden beim „musikalischen Instrumentenmacher und Orgelbauer Heinrich Rudolf Mack“ das Instrumentenmacherhandwerk. Damit stand er in der Tradition von Gottfried Silbermann, da Mack ein Schüler Silbermanns war. 1797 beendete Rosenkranz seine Lehre und gründete am 10. Juli 1797 seine eigene „Fortepianowerkstätte“ auf der damaligen Pfarrgasse 85 in der Dresdner Neustadt unter dem Namen „Ernst Rosenkranz“.

Werbung der Firma Rosenkranz
Foto: Wikimedia

Rosenkranz entwickelte eigene Konstruktionen von Clavichords (einer Vorform des Klaviers) und übernahm dann den Bau von Tafelklavieren, Hammerklavieren und Flügeln. In vielen Dresdner Bürgerfamilien fanden sich „Rosenkranz`sche Tafelklaviere und Flügel“. 1805 heiratete Rosenkranz eine Pianistin. 1806 wurde der erste Sohn geboren, Friedrich Wilhelm. 1813 kam der zweite Sohn, Ernst Adolf, zur Welt. 1809 expandierte die Firma und zog in die damalige Königstraße 85 um.

Rosenkranz stellte zahlreiche Versuche mit Veränderungen der Klaviatur an und suchte den persönlichen Kontakt zu den Künstlern seiner Zeit. Mit dem „Körnerschen Hause“ verband ihn eine Freundschaft. Dort lernte er berühmte Persönlichkeiten kennen, so auch Heinrich von Kleist, Johann Wolfgang von Goethe, Carl August Richter und Gerhard von Kügelgen. Friedrich Wieck, der Vater Clara Schumanns, bezog seine Instrumente u. a. von ihm. 1824 und 1826 stellte Rosenkranz seine Instrumente auf den Handelsmessen in Dresden aus. Sein Sohn Friedrich Wilhelm lernte bei ihm die „Instrumentenmacherkunst“. Nachdem er bei seinem Vater ausgelernt hatte, ging er auf Wanderschaft und erweiterte seine Kenntnisse als Instrumentenmacher in Wien, Straßburg, Paris, London und in Nordamerika. Am 23. Januar 1828 starb Ernst Philipp Rosenkranz im Alter von 55 Jahren in Dresden. Er wurde auf dem Dresdner Neustädter Friedhof beerdigt.

Seine Witwe führte die Firma unverändert fort, bis der Sohn Friedrich Wilhelm Rosenkranz zurückkehrte und im Dezember 1830 die Fabrik übernahm. Als Instrumentenbauer wurde Friedrich Wilhelm Rosenkranz der Lehrer weiterer Klavierbauer, u. a. von Karl Bechstein, Ferdinand Thürmer und Eduard Reingräbers. Berühmte Persönlichkeiten spielten Rosenkranz-Flügel, darunter die Kaiserin Elisabeth von Österreich. Die Dresdner Klavierfabrik Ernst Rosenkranz gehörte zu den ältesten Klavierfabriken Sachsens. Erst in den 1970er Jahren wurde die Firma geschlossen. Heute sind aus der Frühzeit der Firma (vor 1830) nur wenige Instrumente erhalten (eines im Bestand des Grassi-Museums Leipzig und eines im Schumann-Haus Zwickau) – spielbar ist jedoch keines.

Was ist ein sogenanntes „Tafelklavier“?

Wie der Name schon verrät, handelt es sich beim Tafelklavier um einen besonderen Typus. Die rechteckigen, anfangs auch relativ kleinen Tasteninstrumente konnten im geschlossenen Zustand als Anrichte oder auch Tisch (also als gedeckte „Tafel“) genutzt werden und erwiesen sich damit besonders in kleinen Haushalten als ideales und universell einsetzbares Möbelstück. Bei dem Tafelklavier, welches sich bis 2021 im Webermuseum befand, konnte man beispielsweise auf dem Deckel Spuren von Nährollen nachweisen, mit denen man Stoffe zugeschnitten hatte. Die Abdrücke der Nährollen verliefen kreuz und quer über den Deckel, dieses Tafelklavier fungierte also auch als Nähtisch.

Innen zeichnen sich die frühen Tafelklaviere durch einen komplett aus Holz bestehenden Korpus aus, sodass die Instrumente sehr leicht sind. Auch Carl Maria von Weber profitierte davon, da er bei den vielen Umzügen ein flexibles und leichtes Instrument benötigte, das er bequem mit einer weiteren Person tragen konnte.

Das Tafelklavier wird ins Carl-Maria-von-Weber-Museum gebracht.
Foto: © Museen der Stadt Dresden / Romy Donath

Ähnlich den heutigen „Keyboards“ konnten die Beine abgedreht werden und das Instrument wurde auf einen Strohwagen verladen und an seinen Bestimmungsort gebracht. Die Fertigung aus Holz hatte allerdings auch Nachteile: Die Instrumente waren relativ empfindlich gegenüber klimatischen Veränderungen und mussten eigentlich vor jedem Spielen gestimmt werden. Zudem konnten die Stimmstöcke schnell reißen. So gibt es heute auch nicht mehr so viele historische Instrumente, die wirklich noch spielbar sind. Das neue alte Instrument im Webermuseum bildet hier eine erfreuliche Ausnahme. Später wurden die Tafelklaviere immer größer, bis sich allgemein die heutige Flügelform durchsetzte und Tafelklaviere ganz aus den Produktionen verschwanden.

Erfolgreiche Spendenaktion

Die Begeisterung für ein Instrument, welches in Dresden zu Lebzeiten Carl Maria von Webers gebaut wurde, war bei den Besuchenden und Freunden des Museums schnell geweckt. Schließlich könne ein solches Instrument die Klangerfahrungen der Zeit lebendig werden lassen. Das Tafelklavier der Werkstatt Ernst Rosenkranz wurde zunächst als Leihnahme ins Museum gebracht, um feststellen zu können, ob es sich in den Museumsräumen „wohlfühlt“ – denn für alte Instrumente sind optimale klimatische Bedingungen von besonderer Wichtigkeit. Zudem war das Instrument aufwendig restauriert worden – frische und alte Hölzer treten dabei miteinander in Beziehung und Holz arbeitet bekanntlich. Es wurde im Arbeitszimmer des Komponisten aufgestellt, während das bisherige Tafelklavier im Depot verwahrt wird.

Im ehemaligen Arbeitszimmer des Komponisten fand das Instrument einen würdigen neuen Standort.
Foto: © Museen der Stadt Dresden / Romy Donath

Nach über einem Jahr im Carl-Maria-von-Weber-Museum konnte festgestellt werden, dass es dem Instrument im Arbeitszimmer des Komponisten sehr gut geht. Erste kleine Konzerte sind veranstaltet worden und der außergewöhnliche Klang traf und trifft auf Begeisterung. Dank Spenden des Lions-Club Carus Dresden, weiterer Privatpersonen und durch Unterstützung des Ortsamtes Loschwitz konnte das Tafelklavier 2022 angekauft werden und hat nun einen würdigen Standort im Carl-Maria-von-Weber-Museum, wo es in dem Raum erklingt, in welchem Weber komponierte und musizierte.


Quelle: www.dieter-gocht.de/informationen/chroniken-r/rosenkranz-ernst