2019 verstarben zwei der bedeutendsten Sänger des 20. Jahrhunderts – Theo Adam (geb. 1926) und Peter Schreier (geb. 1935). Beide lebten und wirkten in Dresden und fungierten durch ihre internationale Karriere als Botschafter der 1945 zerstörten Stadt. Dies nahm das Carl-Maria-von-Weber-Museum zum Anlass, den beiden Sängern gemeinsam eine Ausstellung zu widmen und ihre Freundschaft im Besonderen zu beleuchten.

Blick in die Sonderausstellung (Foto: Romy Donath)

Im Zuge der Vorbereitung und bei Gesprächen mit den Familien wurde deutlich, dass enorm viel Material in den Nachlässen vorhanden ist, das aufgearbeitet und vor allem auch gezeigt werden sollte: neben Urkunden, Auszeichnungen und Bildern sind es vor allem persönliche Dokumente wie Briefe, Alben und Erinnerungsstücke, die einen Einblick in ihr Leben und Wirken ermöglichen. Beim Stöbern trat beispielsweise eine Reisebeschreibung des zwölfjährigen Theo Adam zutage, der die Tournee des Kreuzchores 1938 in die USA kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges dokumentarisch festhielt. Adam hatte außerdem viele Zeitungsartikel, die während dieser Reise in den USA erschienen waren, akribisch gesammelt und aufgeklebt. So wird deutlich, welchen Stellenwert das Gastspiel für den jungen Sänger hatte und wie enorm es ihn auch prägte. Später kehrte er an einige der Orte zurück, wo er bereits als Kruzianer gesungen hatte.

Auch Schreier wurde durch die Zeit im Kreuzchor geprägt, wobei vor allem Kreuzkantor Rudolph Mauersberger als charismatische Leitfigur die Kindheit beider Sänger beeinflusst hat. Der strenge Chorleiter gab den talentierten Jungen das Rüstzeug für ihre spätere Karriere mit – beide konnten perfekt vom Blatt singen und hatten eine klare Vorstellung von Phrasierungen und Interpretation. Vor allem Peter Schreier lag deshalb zeitlebens das Konzertfach besonders am Herzen und die Verbindung zum Kreuzchor riss nie ab. Viele gemeinsame Konzerte, in denen Schreier und Adam später als Solisten auftraten, sind heute noch auf Platte nachzuerleben und können zu Recht als Aufnahmen gelten, die Maßstäbe gesetzt haben.

Peter Schreier (li.) und Theo Adam, Foto: Privatarchiv Familie Adam

Was ist das Besondere an der Freundschaft zwischen Schreier und Adam?

Außergewöhnlich erscheint die lebenslange Freundschaft der beiden Dresdner Sänger. Kennengelernt haben sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg bei Konzerten des Kreuzchores – Adam war gerade aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und Schreier begann als Altist seine Karriere als Kruzianer. Später unterstützte der neun Jahre ältere Adam den Tenor Schreier bei seinem Aufstieg, empfahl ihn in den 1950er Jahren weiter und stellte Kontakte her. Interessant erscheint auch die Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Adam und dem Dirigenten Schreier. Die Freundschaft blieb dabei nicht auf das Berufliche beschränkt – die Familien kannten sich gut, und Theo Adam war für Schreiers Kinder der „Onkel“. Die Freundschaft hielt bis ins hohe Alter und wurde jäh durch die Demenzerkrankung von Theo Adam unterbunden.

Wie kann man sich diesen Sängerlegenden mit einer Ausstellung nähern?

Natürlich erscheint es schwierig, das Leben dieser beiden Legenden, die zwei Diktaturen erlebt hatten, weltweiten Ruhm genossen und künstlerische Maßstäbe gesetzt haben, prägnant und aussagefähig darzustellen. Zunächst wurden aus dem Nachlass einige Gegenstände, Bilder und Dokumente ausgewählt, die symbolisch für einen Aspekt im Leben der beiden Sänger stehen – sei es die Agenturmappe der Künstleragentur der DDR, die für ihre Vermarktung im Sozialismus steht, oder die Weltzeituhr Adams, die das Organisationstalent der Familie Adam symbolisiert – jeder Ausstellungsgegenstand erzählt eine Geschichte und lässt die Besucherinnen und Besucher so auf persönliche Weise am Leben der beiden Persönlichkeiten teilhaben. Ihre wichtigsten Aufnahmen wurden zudem ausgesucht und als Mobile in den Ausstellungsraum integriert. So kann man die gewünschte Platte herausgreifen und Adam und Schreier akustisch genießen.

Blick in die Sonderausstellung, Foto: Romy Donath

Was ist der außergewöhnlichste Gegenstand der Ausstellung?

Am ungewöhnlichsten erscheint sicherlich ein Glas Marmelade von Peter Schreier, die er selbst gekocht hat. Dieses Glas steht für seine Leidenschaft, zu kochen und zeigt die Normalität seines Alltags auf. Gerade durch solch ein ungewöhnliches Exponat erscheint Schreier sehr nahbar. Überraschend war auch ein Video aus den 1970er Jahren, das mit Peter Schreier im Carl-Maria-von-Weber-Museum aufgenommen worden war. Der Tenor führt durch die Räume und singt Lieder von Weber – ein ganz außergewöhnliches Zeitdokument.

Szene aus einem Video aus den 1970er Jahren mit Peter Schreier, Screenshot: Romy Donath

Welche weitere Verbindung haben beide Sänger zu Carl Maria von Weber?

„Der Freischütz“ spielte im Leben beider Sänger eine wichtige Rolle. Der Eremit war für Theo Adam die erste wichtige Solopartie, die er auf der Bühne gesungen hat und mit dem Eremiten hat er sich 2006 auch von der Bühne in der Semperoper verabschiedet. Außerdem wirkte er bei der Einweihung der Semperoper 1985 im „Freischütz“ mit. Peter Schreier hingegen erlebte die Jägeroper noch als Kind in der unzerstörten Semperoper und war fasziniert vom musikalischen Erlebnis. Zusammen wirkten Adam und Schreier 1973 in der Lukaskirche bei der legendären Aufnahme des „Freischütz“ unter Carlos Kleiber mit.

Auch nach der Beschäftigung mit der Karriere und der Freundschaft der beiden Sänger erscheint es bewundernswert, wie vermeintlich konfliktlos ihre Beziehung über die Jahrzehnte hielt und vor allem in der DDR und der Zeit nach der Wiedervereinigung bestehen blieb. Geprägt durch eine enge künstlerische Zusammenarbeit, die geschmacklich durch die gleichen Wurzeln beeinflusst wurde, verstanden sie es, sich gegenseitig zu ergänzen und die positiven Eigenschaften des Gegenübers zu entwickeln und zu stärken. Bis heute zeugen zahlreiche gemeinsame Plattenaufnahmen von ihrer Freundschaft und lassen den Zuhörer staunen.

Katalog zur Sonderausstellung (Foto: Romy Donath)

Die Ausstellung „Peter Schreier und Theo Adam – zwei Jahrhundertsänger aus Dresden“ im Carl-Maria-von-Weber-Museum ist bis Mitte August 2021 zu sehen. Der Katalog ist für 14,95 Euro im Donatus-Verlag erschienen und kann im Stadtmuseum und im Carl-Maria-von-Weber-Museum erworben werden.