2024 begeht Caspar David Friedrich seinen 250. Geburtstag. Aus diesem Anlass widmet sich das Kraszewski-Museum romantischen Landschaftsbildern im Dreiländereck. Als binationales Museum geht es den Gründen für die Entwicklung und den Wirkungen der großen Mobilität in der Epoche der Romantik nach. Wie beeinflusste sie die Menschen im Dreiländereck Polen – Tschechien/Böhmen – Deutschland/Sachsen, die deutsche und die polnische Gesellschaft und nicht zuletzt die dort lebenden und arbeitenden Künstler?

Blick in die Sonderausstellung, Foto: Museen der Stadt Dresden / Sophie Arlet

Gelebte Verbindungen

Vier Ausstellungsteile präsentieren eine Auswahl von Werken aus den Sammlungen des Riesengebirgsmuseums in Jelenia Góra/Hirschberg, des Schlesischen Museums zu Görlitz, des Museums Bad Schandau, des Stadtmuseum Pirna, des Stadtmuseums Dresden und der Städtischen Galerie Dresden. In ihrer Vielfalt werden Kontakte, gemeinsame Motive, Traditionen und Inspirationen zwischen den reisenden Künstlern in den benachbarten Ländern sichtbar.

Zwei Länder, zwei Visionen

In der deutschen Romantik spielen neben dem Ruf nach Neuem, nach dem Überwinden von Überkommenem die Zeitlichkeit, der Blick in die Vergangenheit und eine Vorstellung von Künftigem eine Rolle; das schlägt sich in Worten und Bildern, Träumen und Fantasien nieder. Viel stärker ist die polnische Romantik von einem aus- und nachdrücklichen und auch aktivierenden politischen Engagement geprägt. Die polnische Romantik zielte darauf ab, die eigene Gegenwart zu beeinflussen. Als Bewegung ging sie aus von der jungen polnischen Intelligenz, meist adeliger Herkunft, die die Zukunft und Einheit ihrer Heimat quasi herbeischrieb.

Die Romantik war damals wie heute eine europäische Angelegenheit, sie lässt sich als künstlerische Strömung über die Grenzen der deutschen Länder hinaus nachweisen und ist bis heute ein Exportschlager. Viel spezieller, weil politisch und durch das eigene Schicksal motiviert, blieb die polnische Romantik eine Angelegenheit vor allem polnischer Literaten und Leser.

Vor diesem Hintergrund interessiert die Frage, wann und aus welchen Anlässen und Bedürfnissen heraus Menschen und Gesellschaften heute zu den Werten der Romantik zurückkehren. So lässt sich in Polen gegenwärtig ein wachsendes Interesse an der Romantik beobachten – in Zeiten der Unsicherheit und des Aufruhrs. Welche Faktoren geben hierfür den Ausschlag?

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die deutsche und die polnische Romantik umfassen grob jeweils ein knappes halbes Jahrhundert – aber nicht gleichzeitig. Die polnische Romantik manifestierte sich ein Vierteljahrhundert nach der deutschen, im Jahr 1822, als der Dichter Adam Mickiewicz seine „Balladen und Romanzen“ veröffentlichte. Sie gelten als ihr Auftakt, ähnlich den Schriften von August Wilhelm und Friedrich Schlegel am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Romantiker beider Nationen erlebten ihre Epoche als Zeit der Fremdherrschaft, doch waren ihre Auswirkungen durchaus unterschiedlich. So übten die Regierungen der Teilungsmächte Österreich, Preußen und Russland während der Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der polnischen Literatur in der Romantik aus.

Naturkult und Mobilität in der europäischen Romantik

Die Romantik ist eine der letzten großen Kulturepochen Europas. Die Naturverehrung und die Motive des Wanderns und Reisens spielten in Kunst und Literatur eine zentrale Rolle, wurden vielfach aufgegriffen und mannigfaltig variiert. Nicht zuletzt wurden das Gefühl, die Fantasie, Spiritualität und Natürlichkeit der wissenschaftlichen Strenge und rationalen Welt- und Menschenwahrnehmung der Aufklärung entgegengesetzt.

Gleichzeitig eröffneten die Errungenschaften der industriellen Revolution, vor allem die Eisenbahn und die Passagierdampfschifffahrt, die Möglichkeit, neue Orte und bislang unbekannte Landschaften zu erkunden. Dabei waren die Motive für solche Expeditionen in den Nachbarländern durchaus von unterschiedlicher Natur, sie reichen von Naturschwärmerei über das Erkunden und Erfassen hinzugewonnener Gebiete bis hin zu einem schon touristischen Reisebetrieb. Die räumliche Distanz zum Gewohnten und Bekannten ermöglichte dem Reisenden einen Perspektivenwechsel, der es ihm erlaubte, über sich selbst und die eigene Heimat vertiefter nachzudenken. Zudem wurden die Sehnsucht, Melancholie, Nachdenklichkeit und Bewunderung für die Schönheit der Natur in einer bis dahin nicht gekannten Intensität ausgelebt und in Werke der Literatur und bildenden Kunst umgesetzt.

Natur als Balsam für die Seele

Die bis dato unbekannte Schnelllebigkeit und die rasante Industrialisierung führten zu einer Verunsicherung der Gesellschaft. Demgegenüber bot die Natur als Rückzugsort die Möglichkeit der Kontemplation und fungierte zugleich als Quelle schöpferischer Inspiration. Die Schönheit und Dramatik der Landschaft wurden unter anderem von dem polnischen Nationaldichter Adam Mickiewicz in „Herr Thadeus” – einem 1834 in Paris erschienenen zweibändigen Gedicht –  und in den „Krim-Sonetten” aus dem Jahr 1826 beschrieben. Die Erinnerung an die verlorene Heimat sowie die Suche nach Spiritualität, auch nach Liebesenttäuschungen, waren für zahlreiche Künstler wie auch ihre literarischen Figuren Motive, die sie in die Ferne trieben.

Blick in die Sonderausstellung, Foto: Museen der Stadt Dresden / Sophie Arlet

Reisemode in der Romantik

Die in der Epoche der Romantik popularisierte Reiseform, das Wandern, entsprang auch dem Glauben, dass das Wesen des Menschen in der ewigen Suche und Entdeckung neuer und vergessener Weltgegenden und Kulturen bestehe. Wanderungen in die Berge, in die Wüste oder in die Steppe erlangten Popularität. Die Reisenden – sowohl tatsächliche als auch literarische Figuren – wurden dabei mit der gewaltigen mystischen Kraft der Natur konfrontiert. Die Reiseziele waren, neben der vielzitierten Italienreise, häufig nach Osten ausgerichtet, zu den Ursprüngen von Religion und Zivilisation. Die Motive für die Reise waren vielfältig. Neben der Suche nach Gott und nach Spiritualität kann auch die Suche nach dem eigenen Selbst als Motiv genannt werden. Das Wandern diente auch dazu, eine subjektive, innere Erlebniswelt zu schaffen. Die großen Schriftsteller der Zeit, Johann Wolfgang von Goethe und George Byron, hielten ihre Eindrücke von Wanderschaften in verschiedenen literarischen Formen, in Tagebüchern, Gedichten und Briefen, fest.

Tourismus im Riesengebirge und in der Sächsischen Schweiz

Die Besteigung der Schneekoppe, der höchsten Erhebung des Riesengebirges, durch Königin Luise von Preußen am 18. August 1800 markierte den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte Schlesiens als Reiseziel. Neben dem Adel frequentierten auch Angehörige des wohlhabenden und gehobenen Bürgertums die Kurorte und Erholungszentren in der 1742 neu erworbenen preußischen Provinz. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts manifestierte sich ein neues Naturgefühl, das dem Reisen in die „freie Natur“ einen eigenen Wert verlieh. Das galt nicht nur für den preußischen Adel, dessen Mitglieder sich angesichts der strengen Hofetikette zunehmend nach der freien Natur sehnten und Schlösser im Hirschberger Tal erwarben. Unter dem Einfluss der Schriften Jean-Jacques Rousseaus entstand zunehmend ein Bewusstsein dafür, in der Zivilisation von der Natur entfremdet zu sein. Friedrich Schiller verarbeitete 1795 in seinem Gedicht „Der Spaziergang” die Erfahrung eines Gefängnisses, das er in Form des Zimmers und des Gesprächs beschreibt. Die Natur hingegen stellt er als Ort der Reinigung und Läuterung dar.

Die Bergwelt und ihre Sonnenaufgänge wurde mit einem Gefühl der Freiheit assoziiert. Am 14. September 1790 unternahm der damals 41-jährige Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe eine Wanderung von Krummhübel zur Hampelbaude im Riesengebirge. Dort übernachtete er, um am darauffolgenden Morgen den Aufstieg zur Schneekoppe zu unternehmen und den Sonnenaufgang zu erleben. Im Jahr 1797 verfasste der Dichter Heinrich von Kleist an diesem Ort seinen pathetischen Sonnengesang, die „Hymne an die Sonne“. Und Theodor Körner schrieb das Gedicht „Auf der Riesenkoppe”, als er 1809 eine geologische Forschungsreise ins Riesengebirge unternahm.

Die Bäder spielten sowohl im Hirschberger Tal als auch in der Sächsischen Schweiz eine immer wichtigere Rolle. Sie wurden zunehmend von Menschen besucht, die sich dort allein oder in Gesellschaft vergnügten. Schließlich etablierte sich für die wohlhabenderen Kreise der gesellschaftliche Brauch, im Sommer einen Badeaufenthalt zu verbringen. Das bekannteste schlesische Heilbad war Warmbrunn, das insbesondere von den wohlhabenden Schichten frequentiert wurde. Zu den Gästen zählte vornehmlich der Adel aus Böhmen, Mähren, Sachsen, Preußen, Polen, dem Baltikum und Russland. Weitere schlesische Badeorte waren Flinsberg am Fuße des Isergebirges, Charlottenbrunn, Altwasser sowie Salzbrunn im Waldenburger Land.

Sächsische Schweiz, Brand, um 1860. Radierung nach Ludwig Friedrich (Stecher), Hermann Krone (Inventor, Verleger). Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden

Stadt- und Landschaftsansichten

In den Jahrzehnten nach 1800 entwickelte sich eine vielfältige Produktion von Stadt- und Landschaftsansichten für Buchillustrationen, Alben oder als Wanddekorationen. Das Sammeln von Grafiken war zu dieser Zeit eine allgemeine Leidenschaft.

Die bis dato wenig beachtete Landschaftsmalerei erfuhr eine Bedeutungssteigerung. Sie gab auch gleichsam eine Anleitung für die Wahrnehmung der Natur, indem sie mit wiederkehrenden Kompositionen und Motivarrangements das ästhetische Empfinden gleichsam normierte. Das große Interesse an derartigen Ansichten schuf eine Vielzahl von Erinnerungsstücken, die die Begegnung mit der Landschaft dokumentierten. In den Jahren um 1800 wurden vermehrt in Kupfer gestochene Ansichtsserien nach Bildern von beispielsweise Carl Christoph Reinhardt, Anton Balzer und Christoph Nathe geschaffen. Im Gegensatz zu den Gemäldeserien, die sich durch eine breitere Palette an Sujets auszeichneten, zeigen diese Serien nahezu ausschließlich Landschaften.

Die große Schneegrube. 1806. Aquatinta nach Christoph Nathe, Schlesisches Museum zu Görlitz

Die Sonderausstellung „Von Wanderlust und Reisefrust. Romantische Natur- und Reisebilder im Dreiländereck“ präsentiert bis zum 27. Oktober 2024 im Kraszewski-Museum Gemälde, Grafiken und Reisebeschreibungen, die zu einem Streifzug durch die Romantik im Dreiländereck einladen.

Das Begleitprogramm zur Ausstellung ist auf www.museen-dresden.de einsehbar. Ein Blick in die Angebote lohnt sich!

Von Wanderlust und Reisefrust. Romantische Natur- und Reisebilder im Dreiländereck

Kraszewski-Museum
Nordstraße 28
01099 Dresden

Mi – So, Feiertage: 12 – 17 Uhr
Mo/Di: geschlossen

www.museen-dresden.de