Gastbeitrag von Andreas Martin

Mit dem Aufleben des Tourismus begannen im 19. Jahrhundert zahlreiche Aussichtstürme „aus dem Boden zu wachsen“. Hierzu gehörte auch der sogenannte Wolfshügelturm im Albertpark.

Möglich wurde dies, da Oberlandforstmeister von Berlepsch den Wolfshügel um 1850 als Aussichtspunkt zugänglich machte, indem er einen Weg auf den Gipfel anlegen ließ.1

historische Lithografie
Unbekannter Künstler: Aussicht vom Wolfshügel bei Dresden, um 1850, kolorierte Lithografie, kaschiert auf Karton, Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Foto: Städtische Galerie Dresden

1880 begann dann in der Sektion Dresden des Gebirgsvereins für die sächsisch-böhmische Schweiz die Diskussion darüber, dass auf dem Wolfshügel ein Aussichtsturm errichtet werden sollte, um einen „freien Blick über die Wipfel“ zu ermöglichen. Der Schriftsteller Theodor Heinrich Gampe, Mitglied der Sektion, beschrieb die Situation in der Vereinszeitschrift und unterstrich, dass „die ganze touristische Herrlichkeit […] leider schwer gefährdet [ist] und zwar durch die Natur selbst“.2 Seine Vorstellungen von einem Aussichtsturm waren zeitgemäß. Er orientierte sich dabei an dem sogenannten Raubschloss an der Zschopau bei Ringethal und stellte sich den Turm auf dem Wolfshügel in der Dresdner Heide gleichfalls als eine „Ruine mit einfachen Mauercoulissen“ vor.

Zunächst standen die begrenzten Mittel des Vereins dem Vorhaben entgegen. Später waren die Bedingungen der Forstverwaltung für den Verein nicht annehmbar. Es dauerte bis 1885, dass die Forstverwaltung auf die Haftung des Vereins für alle Schäden am fiskalischen Eigentum und an dem Leben und der Gesundheit Dritter verzichtete. 1886 konnte der Auftrag erteilt werden, das etwa vier Meter hohe Gerüst mit einer Plattform von neun Quadratmetern zu errichten. Am 30. Mai war die Einweihungsfeier. Die Kosten von nahezu 300 Mark waren für den Verein „erheblich“.3

historische Postkarte
Hölzerne Plattform auf dem Wolfshügel, um 1900, Postkarte, Verein Wolfshügelturm e. V.

1897 wurde das Gerüst als baufällig eingeschätzt und saniert. Im Jahr nach der Instandsetzung erwarb die Stadt Dresden das gesamte Gelände um den Wolfshügel und gestaltete das Areal in den folgenden Jahren zu einem Volkspark um. Das Holzgerüst entsprach bald nicht mehr den Vorstellungen, die mit der Entwicklung des König-Albert-Parks verbunden waren. Deshalb ließ der Verein Volkswohl als Träger der Parkanlage in den Jahren 1911 und 1912 einen 18 Meter hohen Aussichtsturm aus Eisenbeton an Stelle des Gerüsts errichten.4 Der Entwurf hierfür stammte vom Dresdner Stadtbaurat Hans Erlwein (1872–1914), der in Dresden unter anderem auch das Italienische Dörfchen am Theaterplatz sowie den sogenannten Erlweinspeicher (heute Maritim Hotel) errichtete. Der Turm war über einen kräftigen, bogengeöffneten Unterbau mit seitlicher Treppe zu betreten. Über der ersten Plattform präsentierte der Turmschaft elegant die bautechnologischen Möglichkeiten des damals noch recht neuen Baumaterials Eisenbeton, indem die Seitenwände den freien Blick auf zwei ineinander liegende freitragende Treppenspindeln ermöglichten. Nur 14 schlanke Halbsäulen scheinen den Schaft mit dem zweiten Aussichtsrondell und der kupfernen Turmhaube zu tragen. Aus luftiger Höhe – die Gesamthöhe des Turms betrug 25 Meter – durfte nun der Blick in die Ferne genossen werden. Bald eröffnete auf dem Vorplatz auch ein Ausschank, so dass vor oder nach dem Aufstieg eine Stärkung erfolgen konnte.

historische Postkarte
Aussichtsturm Wolfshügel, Postkartenentwurf des Verlags Hartmann, Foto: Alfred Hartmann, um 1910, Stadtmuseum Dresden, SMD/Ph/2002/00327

Gut zwei Jahrzehnte währte dieses Idyll, dann trug der Turm während des Zweiten Weltkriegs Antennenmasten und diente als Nachrichtenstation. Da diese Anlage nicht in die Hände der Roten Armee fallen sollte, wurde sie noch am 8. Mai 1945 von SS-Männern gesprengt.5

Seitdem finden Wanderer an dieser Stelle nur noch einen Teil des Sockelbaus vor, der seit 1999 als ortsgeschichtlich und landschaftsgestalterisch bedeutend unter Denkmalschutz steht. Doch diese Situation könnte sich ändern. 73 Jahre nach der Sprengung gründete sich 2018 der Verein „Wiederaufbau Wolfshügelturm e. V.“, dessen Vereinszweck direkt aus dem Namen hervorgeht: der Wiederaufbau des Aussichtsturms. Dazu wurden in den vergangenen Jahren intensive Recherchen zum historischen Bau durchgeführt und die ursprünglichen Bauteile auch zeichnerisch rekonstruiert.

Animation
Visualisierung des Erlweinschen Turmaufbaus,  Elisabeth Wetzel, Wiederaufbau Wolfshügelturm e. V.

Ob der Wiederaufbau des Turms dann nach originalem Vorbild oder in einem neuen architektonischen Gewand geschehen soll, ist noch offen. Zunächst muss endgültig geklärt werden, ob die Fundamente einen neuen Bau überhaupt tragen können. Hierfür wären mehrere Kernbohrungen mit Werkstoffanalysen im Labor sowie Fundamentüberprüfungen notwendig.6 Allein hierfür werden momentan 40.000 € kalkuliert, die ausschließlich über Spendengelder requiriert werden sollen. Erklärtes Ziel des Vereins ist es, laut Webpräsenz, „Geschichte wieder erlebbar“ zu machen – eventuell durch einen neuen Turm aus in Dresden entwickeltem Carbonbeton oder teilweise aus 3D-gedrucktem Beton. Doch noch fehlt es an Geld.

Visualisierung des Turms
Rendering des Turms, Verein Wolfshügelturm e. V.

Der Text basiert auf einer Kurzführung im Rahmen der Reihe „Objekt im Fokus“, die im April von Dr. Andreas Martin durchgeführt und für die Blogveröffentlichung zum 8. Mai von Dr. Claudia Quiring ergänzt wurde.7


Dr. Andreas Martin war bis 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ISGV (Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde) mit den Schwerpunkten Handwerksforschung, Wissenschaftsgeschichte, Tourismusforschung und Landschaftsforschung. In diesem Rahmen beschäftigte er sich intensiv mit der Frühzeit des Fremdenverkehrs in der Sächsischen Schweiz. Kürzlich legte er die Publikation „Aussicht! Der Landschaftsüberblick und seine Orte in Sachsen“ (Quellen und Materialien zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 7), Dresden 2024 vor.


  1. Vgl. Hans Gebler, Der Wolfshügel in der Dresdner Heide. Sein fünfzigjähriges Jubiläum als Aussichtsberg, in: Über Berg und Tal 59 (1936), Nr. 6, S. 83-85. ↩︎
  2. Th. Gampe, Ein Thurm auf dem Wolfshügel bei Dresden, in: Über Berg und Tal 3 (1880), Nr. 5, S. 209 f. ↩︎
  3. Wie Anm. 1 ↩︎
  4. Vgl. Klaus Bräuning, Der Albertpark zu Dresden, Dresden 2001. ↩︎
  5. Augenzeugenbericht von Helmut Rabe unter: https://www.bommi2000.de/geschichte/20jh/1945/1945rabe.pdf (abgerufen am 25.4.2024). ↩︎
  6. Erste Untersuchungen haben bereits 2019 stattgefunden: https://tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/imb/labor/OML_Referenzen/in_situ/wolfshuegelturm (abgerufen am 3.5.2024). ↩︎
  7. Eine umfangreichere Darstellung zur Geschichte des Wolfshügelturms ist hier zu finden: www.wolfshuegelturm.de. ↩︎

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