Beitrag von Aikaterini Dori und Amadeus Henkel

Neue Objekte in der Sammlung des Stadtmuseums

Im Januar 2024 kontaktierte Mathias Amme aus Potsdam, ein direkter Nachfahre der Fabrikantenfamilie Fischer, das Stadtmuseum Dresden. Er brachte uns eine kleine Sammlung (Konvolut) von Fotografien und Haushaltsgegenständen aus Aluminium, die einst in der Fabrik Ambos mit Sitz in Dresden hergestellt wurden. Einige dieser Objekte waren bis vor Kurzem in Benutzung. Das Stadtmuseum besaß bis zu diesem Zeitpunkt sehr wenige Objekte aus dieser Dresdner Fabrik. Darüber hinaus war die Geschichte der Fabrik nicht erforscht. Wir nahmen die mitgebrachten Objekte und Fotografien in unsere Sammlung auf und entschieden uns, Nachforschungen zur Fabrik anzustellen. Die ersten Ergebnisse dieser Recherche werden in diesem Blogartikel präsentiert.

Aluminium: Metall der Moderne

Dem Chemiker Henri Sainte-Claire Deville gelang erst 1854 die industrielle Herstellung von Aluminium durch ein innovatives Verfahren in einer Pariser Fabrik. Allerdings war der Preis für ein Kilogramm Aluminium im Jahr 1854 noch so hoch wie für die gleiche Menge Gold.1 Die technische Weiterentwicklung, die Förderung insbesondere durch Napoleon III. und die Präsentation auf der Pariser Weltausstellung 1855 ließen die Produktion steigen und die Preise langsam fallen. Der Durchbruch in der Produktion erfolgte jedoch erst mit der Einführung des schmelzelektrolytischen Verfahrens nach Hall und Héroult im Jahre 1886.2 Dieses Verfahren wurde erstmals in Europa 1889 durch die Aluminium-Industrie Aktiengesellschaft Neuhausen (AIAG) eingeführt, die mit Kapital aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz gegründet wurde. Anfangs erforderte die Produktion große Mengen an Energie. Deshalb wurden die Fabriken, die Rohaluminium herstellten, in der Nähe von Wasserkraftwerken errichtet.3 Billigere Produktionsverfahren brachten in den 1890er Jahren die Wende. Zuvor wurden hauptsächlich Luxusgüter aus Aluminium hergestellt, aber mit den fallenden Preisen entwickelte sich ein Trend zu Alltagsgegenständen und militärischem Gebrauch.4 Das Militär schätzte besonders das geringe Gewicht des neuartigen Metalls, weshalb vor allem Kochgeschirr, Teller, Zeltbeschläge und Feldflaschen aus Aluminium verwendet wurden. Über die Militärküche gelangte Aluminiumgeschirr nun auch in die zivilen Küchen. Zu dieser Zeit wurde es als äußerst hygienisch beworben, da es nicht rostet und keinen Grünspan bildet.5

Genau zu dieser Zeit, in der Aluminium als Material für Haushaltswaren an Bedeutung gewann und beliebt wurde, gründete Reinhold Fischer die Aluminiumwarenfabrik Ambos in Dresden. Deswegen kann man ihn in dieser Hinsicht als Pionier bezeichnen.

Die Aluminiumwarenfabrik Ambos in Besitz der Familie Fischer

Die Aluminiumwarenfabrik Ambos wurde im Jahre 1897 von Reinhold Fischer (1859-1908) ins Leben gerufen. Ihre Geschichte erstreckt sich bis in die Mitte der 1930er Jahre. Die Fabrik ist bis zu ihrer Schließung in Familienbesitz geblieben. Die Produktionspalette umfasste ein sehr weites Spektrum an Erzeugnissen aus Aluminium: von Haus- und Küchengeräten über Sportartikel bis hin zu pharmazeutischen Bedarfsartikeln.

Reinhold Fischer wurde 1859 in Lausick (seit 1913 Bad Lausick) geboren. Zur Zeit der Firmengründung war er 38 Jahre alt, mehrfacher Vater und verheiratet mit der damals einunddreißigjährigen Isabella Emilie Amalie Fischer (geb. Romstädt). Die Familie lebte in einer schönen Villa in der Oststraße 15 (ab 1931 Wägnerstraße 5) in Blasewitz, die bis heute existiert, aber nicht mehr in Familienbesitz ist.

Fotograf (in) unbekannt: Isabella Fischer, um 1910, Stadtmuseum Dresden, SMD_Ph_2024_00032.02_12
Fotograf (in) unbekannt: Reinhold Fischer,1903, Stadtmuseum Dresden, SMD_Ph_2024_00032.01_12
Fotograf (in) unbekannt: Die Villa der Familie Fischer in der Oststraße 15 (heute Wägnerstraße 5) in Blasewitz, 1920er Jahre, Stadtmuseum Dresden, SMD_Ph_2024_00032.05_12

Die Warenproduktion begann 1898 in der Blasewitzer Straße 70. Die Fabrik, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet wurde, hat mehrmals in ihrer Geschichte ihren Standort gewechselt, was u.a. mit der Steigerung der Nachfrage für Aluminiumwaren und damit der Produktion zusammenhing. Davon zeugen die historischen Adressbücher. Von 1901 bis 1910 war die Fabrik in der Augsburger Straße 54 in Striesen sesshaft und von 1905 bis 1909 besaß sie zusätzlich einen Ausstellungsraum in der Prager Straße 6.

Nach dem unerwarteten Tod von Reinhold Fischer 1908 in Jena, übernahm seine Frau Isabella Fischer, die damals 42 Jahre alt war und sechs Kinder hatte, die Geschäftsführung. Frauen, vor allem verwitwete Frauen, als Unternehmerinnen waren damals in der Minderheit, keinesfalls aber eine Seltenheit. Schon die Gewerbeordnung von 1861 gab auch Frauen in Sachsen, welche das 24. Lebensjahr vollendet hatten, das Recht zum selbständigen Betrieb eines Gewerbes. So eröffneten sich vor allem für ledige Frauen und Witwen neue Erwerbsbereiche. Frauen erhielten damit die Möglichkeit, in allen Handelsbranchen wie sonstigen Gewerben tätig zu werden.6 Im Jahr 1907, kurz bevor Isabella Fischer Witwe und kurz danach Geschäftsführerin der Aluminiumwarenfabrik Ambos geworden ist, stellten Frauen im Deutschen Reich 25,2% aller Eigentümer-Unternehmer:innen.7

Isabella Fischer erwies sich als tüchtige und risikofreudige Geschäftsführerin. Aus privaten Briefen geht hervor, dass sie sich weiterbildete, um in ihrer neuen Rolle bestehen zu können, aber auch, dass die Verpflichtungen, die sie übernommen hatte, manchmal etwas zu viel für sie waren. Unter ihrer Leitung stieg die Ambos Fabrik seit 1911 zusätzlich in die Produktion von Fleischergeräten und Schaufensterstellagen ein. Neuer Standort der Fabrik wurde die Schandauer Straße 34, aber seit 1916 ist auch ein zweiter Standort in der Augsburger Straße 79 bekannt, was vermutlich mit der Steigerung der Produktion aufgrund des Ersten Weltkriegs zusammenhing. Die Adresse in der Augsburger Straße 79 blieb für mehr als ein Jahrzehnt bis Anfang der 1930er Jahre die Hauptadresse, nachdem der Standort in der Schandauer Straße 34 im Jahre 1920 aufgegeben wurde. Im Jahre1930 ist sogar neben der Adresse Augsburger Straße 79 in Dresden eine Fabrik in Coswig bekannt, die aber schon nach einem Jahr aufgegeben werden musste.

Fotograf (in) unbekannt: Produktionshalle der Aluminiumwarenfabrik Ambos, 1920er Jahre, SMD_Ph_2024_00032.03_12
Fotograf (in) unbekannt: Aluminiumpresse der Aluminiumwarenfabrik Ambos, 1920er Jahre, SMD_Ph_2024_00032.04_12

In den Dresdner Adressbüchern taucht seit 1917 allerdings nicht Isabella Fischer, sondern der Kaufmann Arnold Friedmann, der zweite Ehemann von Isabella Fischer, als Geschäftsführer der Ambos Aluminiumwarenfabrik auf. Das hängt aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Änderung des Zivilstandes von Isabella Fischer zusammen. Bekanntlich hing die Rechtsposition von Frauen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wesentlich von ihrem Zivilstand ab. Selbständige Gewerbeausübung sowie unternehmerische Aktivitäten waren unmittelbar an den ausdrücklichen Konsens des Ehemanns gebunden.8 Frauen des Bürgertums, die unternehmerisch tätig waren, versuchten Diskriminierungen und Behinderungen, welche im Ehe- und Familienrecht wurzelten, zu umgehen, indem sie vor der Eheschließung einen Ehevertrag abschlossen, um ihre Rechte u. a. in Bezug auf das Vermögen zu regeln.9 Es ist bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, ob Isabella Fischer einen Ehevertrag vor ihrer zweiten Eheschließung mit Arnold Friedmann anstrebte oder abgeschlossen hat. Fakt bleibt, dass ihr zweiter Ehemann als Geschäftsführer der Fabrik seit 1917 in den Adressbüchern auftaucht, obwohl Isabella Fischer die Fabrik weiterhin leitete. Dies bezeugen private Briefe, die immer noch im Besitz der Nachfahren der Familie Fischer sind.

Fotograf (in) unbekannt: Reinhold Fischer mit Fabrikangestellten vor einem Kurhaus in Trautenau, vor 1908, Stadtmuseum Dresden, SMD_Ph_2024_00032.07_12

Das Ende (und ein neuer Anfang)

Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 wurde die Industrie in vielen sächsischen Städten geschwächt.10 Dieser Trend setzte sich in den ersten Jahren der NS-Diktatur fort und scheint auch Folgen für die Familie Fischer gehabt zu haben. Ab 1933 ist in den Adressbüchern kein Fabrikstandort mehr zu finden. Stattdessen wurde nun die Wägnerstraße 5, die private Villa der Familie, offiziell als Firmenstandort aufgeführt. Aus einem Brief Isabella Fischers aus dem Jahr 1935 an ihre Tochter geht hervor, dass sie zu diesem Zeitpunkt völlig verarmt war und deswegen ihre Villa in Blasewitz aufgeben musste. Sie starb am 19.12.1935. Im Jahr ihres Todes war sie in der Residenzstraße 1 gemeldet. Diese Adresse stimmt mit der letzten Adresse der Aluminiumwarenfabrik Ambos überein, die zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Papier existierte. Isabellas zweiter Ehemann, Arnold Friedmann, ist ein Jahr später am 26.12.1936 gestorben. Die Geschichte der Familie Fischer blieb aber weiterhin mit der Geschichte der Aluminiumindustrie eng verknüpft. Ein Sohn Isabella und Reinhold Fischers, Frohmut „Fred“ Fischer, wanderte 1929 nach Amerika aus und nutzte seine Expertise, um Arbeit in einem amerikanischen Aluminium-Koloss zu finden, in der Alcoa Warrior Company in Pennsylvania, wo er in den 1950er Jahren als Ingenieur für Maschinenkonstruktion und Anlagenbau tätig war.11

In den nächsten drei Monaten werden ausgewählte Objekte und Fotografien zur Aluminiumwarenfabrik Ambos in der Neuerwerbungsvitrine im Museumscafé im Stadtmuseum Dresden ausgestellt. Wir erhoffen uns damit, ein Stück Dresdner Industriegeschichte wieder sichtbar zu machen.

Stadtmuseum Dresden

Wilsdruffer Str. 2
(Eingang Landhausstraße)
01067 Dresden

Di – So 10 – 18 Uhr
Fr 10 – 19 Uhr


  1. Vgl. Hertner, P.: Die Stoffe, aus denen die Träume wurden: Zukunftstechnologien der Jahrhundertwende. Aluminium und Kunstseide als Beispiele, in: JWG 1999 (2), S. 17-29, hier S. 19. ↩︎
  2. Vgl. Marschall, L.: Aluminium. Metall der Moderne, München 2008, S.161 f. ↩︎
  3. Vgl. Falk, S./Schwarz, R.: Aluminium. Metall der Moderne, in: Schäfke, W./Schleper, T./Tauch, M (Hrsg.): Aluminium. Das Metall der Moderne Gestalt Gebrauch Geschichte, Köln 1991, S. 27-69, hier S. 27. ↩︎
  4. Ebd., S. 28. ↩︎
  5. Ebd., S. 32. ↩︎
  6. Vgl. Schötz, S.: Unternehmerinnen im 19. Jahrhundert: Das Beispiel von Leipziger Handelsfrauen, in: Heß, U./Schäfer, M./Bramke, W./Listewnik, P. (Hrsg.), Unternehmer in Sachsen, Leipzig 1998, S. 55-63, hier S. 60. ↩︎
  7. Vgl. Eifert, C.: Deutsche Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert, München 1991, S. 28. ↩︎
  8. Ebd. S. 63. ↩︎
  9. Ebd. S. 63 f. ↩︎
  10. Vgl. Friedreich, S.: Städtische Industrialisierung in Sachsen, in: Sächsische Heimatblätter, 66/2 (2020), S. 94-100, hier S. 100. ↩︎
  11. Großer Dank gilt Matthias Amme für die wertvollen Informationen über Frohmut „Fred“ Fischer sowie die Einblicke in die private Familienkorrespondenz. ↩︎

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