Gastbeitrag von Daniel Ristau

Das Interview ist Teil der begleitenden Blog-Reihe zur Intervention Rethinking Stadtgeschichte: Perspektiven jüdischer Geschichten und Gegenwarten in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Dresden 2021/2022. Angesichts der aktuellen Überlegungen zu einem Jüdischen Museum für Sachsen kommen an dieser Stelle Akteurinnen und Akteure, die sich mit dem Thema beschäftigen, Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinden in Sachsen, von Politik und Gesellschaft sowie Expertinnen und Experten mit ihren Standpunkten, Ideen, Kritiken und Perspektiven zu Wort.

Zur Einführung in die aktuelle Museumsdebatte

Thomas Feist (SMK)

Zur Person:

Der gebürtige Leipziger, promovierte Musikwissenschaftler und selbstständige Unternehmer Thomas Feist arbeitete ab 1995 als Referent für musisch-kulturelle und interkulturelle Bildung beim Landesjugendpfarramt Sachsen. Von 2009 bis 2017 war er Abgeordneter der CDU im Deutschen Bundestag. Seit März 2019 ist Feist ehrenamtlicher Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für das Jüdische Leben.

(1) Was halten Sie von der Idee, ein „jüdisches Museum“ in Sachsen einzurichten?

Ich unterstütze die aus der Zivilgesellschaft heraus gebildete Initiative zur Errichtung eines jüdischen Museums/Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur für den Freistaat Sachsen, die mitteldeutsche Region und die Grenzregionen zu Polen und der Tschechischen Republik.

(2) Wo und wie sollte jüdische Geschichte und Gegenwart zugänglich gemacht werden?

Das Museum sollte Teil eines Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur sein, in dem sich Geschichte und Gegenwart begegnen.

(3) Was kann und was sollte präsentiert werden?

Die Frage, was präsentiert werden sollte, würde ich den Fachleuten überlassen. Wünschenswert wären der Einsatz moderner Präsentationstechniken, die über das Zur-Schau-Stellen von Artefakten weit hinausgehen.

(4) Wer soll erreicht werden?

Das Zentrum soll ein offenes Haus sein, welches verschiedene Zielgruppen anspricht. Die Brücke sollen Veranstaltungen kultureller und bildungspolitischer Art sein, die dem Haus Leben einhauchen. Darüber hinaus ist der museale Teil natürlich konzeptionell für verschiedenste Besuchergruppen nutzbar und sollte daher museumspädagogisch möglichst breit aufgestellt sein. Den Ort wünsche ich mir als Begegnungs- und Bildungsstätte gleichermaßen.

(5) Wenn Sie ein museales Objekt auswählen könnten, das Sie als besonders aussagekräftig für Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens halten, welches wäre das – und warum?

Unbedingt sollte in der Ausstellung eine Flasche Caramba-Rostlöser präsentiert werden – zusammen mit der Geschichte ihres Erfinders Max Elb. Und einige für die jüdische Religionsausübung notwendige Gerätschaften – erinnernd an das „Juden-Cabinet“, das von Kurfürst August dem Starken um 1730 errichtete erste jüdische Museum der Welt.

Kommerzienrat Max Elb (1851–1925) (Gemeindeblatt der IRG Dresden 1927)

(6) Was sollte in der Debatte um ein Jüdisches Museum als nächstes passieren?

Hier sollte vor allem das Bekenntnis des Dresdner Stadtrates für ein solches Zentrum aufgegriffen und von politischen Entscheidern hinsichtlich einer Realisierung vorangebracht werden. Das von den ursprünglichen Ideengebern favorisierte Areal am Alten Leipziger Bahnhof – welches nun der Stadt Dresden gehört – sollte dabei unbedingt einbezogen werden. Und natürlich bedarf es des Zugehens der Stadt Dresden auf den Freistaat – schließlich soll das Zentrum/Museum eine Einrichtung für ganz Sachsen und darüber hinaus sein.

Chanukkia in Leipzig (Thomas Feist)