Das Interview ist Teil der begleitenden Blog-Reihe zur Intervention Rethinking Stadtgeschichte: Perspektiven jüdischer Geschichten und Gegenwarten in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Dresden 2021/2022. Angesichts der aktuellen Überlegungen zu einem Jüdischen Museum für Sachsen kommen an dieser Stelle Akteurinnen und Akteure, die sich mit dem Thema beschäftigen, Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinden in Sachsen, von Politik und Gesellschaft sowie Expertinnen und Experten mit ihren Standpunkten, Ideen, Kritiken und Perspektiven zu Wort.

Zur Einführung in die aktuelle Museumsdebatte

©Rabbiner Szolt Balla, Foto: Dirk Brzoska

Rabbiner Zsolt Balla wurde in Budapest geboren. Er hat einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur und früh Erfahrungen als Dozent bei jungen jüdischen Lerngruppen gesammelt. 2009 schloss er seine Ausbildung als Rabbiner am Rabbinerseminar zu Berlin ab und übernahm das Gemeinderabbinat der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Seit 2012 ist er Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (www.ordonline.de). Rabbiner Zsolt Balla ist auch der Direktor des Institutes für Traditionelle Jüdische Liturgie (www.juedische-liturgie.de). Seit 2019 ist er Landesrabbiner in Sachsen (www.sonntag-sachsen.de/sachsen-hat-neuen-landesrabbiner), und Militärbundesrabbiner (www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/militaerseelsorge/juedische-militaerseelsorge/militaerbundesrabbiner-zsolt-balla) seit Juni 2021.

(1) Was halten Sie von der Idee, ein „jüdisches Museum“ in Sachsen einzurichten?

Ich glaube, dass es einen Ort braucht, an dem die reiche jüdische Geschichte Sachsens präsentiert werden kann. Ich denke, es liegt an den Entscheidungsträger:innen im Bereich Kultur, die entscheiden sollten, in welchem Format sie die meisten Menschen erreichen und einen Weg in die Zukunft aufzeigen würden, anstatt nur über die Geschichte zu berichten.


(2) Wo und wie sollte jüdische Geschichte und Gegenwart zugänglich gemacht werden?

Ich möchte betonen, dass ich kein Fachmann in diesen Fragen bin. Ich bin der Meinung, dass solche Entscheidungen von Fachleuten getroffen werden sollten, die wissen, wie man alle Gruppen, von jung bis alt, anspricht und sie auf spannende Weise dazu bringt, etwas über das reiche jüdische Leben der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu lernen. Sie sollten entscheiden, wo dies am produktivsten wäre. Ich werde jede professionelle Entscheidung unterstützen.

 
(3) Was kann und was sollte präsentiert werden?

Wie schon gesagt: Nicht nur das historische, sondern eben auch das gegenwärtige, lebendige jüdische Leben in Sachsen.


(4) Wer soll erreicht werden?

In einem Wort: Alle! Die Kunst ist es, unterschiedliche Gruppen von Menschen mit jeweils zielgerichteten Angeboten zu erreichen.

(5) Wenn Sie ein museales Objekt auswählen könnten, das Sie als besonders aussagekräftig für Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens halten, welches wäre das – und warum?

Auf die Schnelle fällt mir da nichts ein. Aber ich würde etwas wählen, das eine Geschichte erzählt, eine Geschichte, die man so noch nie gehört hat.

(6) Was sollte in der Debatte um ein Jüdisches Museum als nächstes passieren?

Es sollte einen professionellen Entscheidungsfindungsprozess geben, bei dem alle Informationen und alle Ziele, die die Menschen in Sachsen mit einer solch wichtigen Initiative verfolgen könnten, abgewogen werden.

Zsolt Balla beim über Facebook live übertragenen Morgengebet (Shacharit) in Leipzig, 1. Dezember 2022, Screenshot