Ernst Hirsch wird 85! Dies ist für das Stadtmuseum Dresden Anlass, ihm herzlich zu gratulieren und sein umfangreiches Schaffen, das mit vielen Seiten der Geschichte der Stadt Dresden verknüpft ist, zu würdigen. Vor einem Jahrzehnt, zu seinem 75. Geburtstag im Jahr 2011, hatte das Museum bereits eine Retrospektive unter dem Titel „Dresden. Kamera und Regie: Ernst Hirsch“ gezeigt, worin der Jubilar als Kameramann, Filmemacher und Dokumentarist sowie als Sammler von Dresden-Filmen und historischer Kameratechnik vorgestellt worden war.

„Ernsti“ (wie er als kleiner Junge genannt wurde) erblickte 1936 als Sohn einer Dresdner Bürgerfamilie das Licht der Welt. Prägend für seinen Lebensweg waren die Verlusterfahrungen der Kindheit: die Zerstörung seiner Heimatstadt im Februar 1945 und der Tod des Vaters im sowjetischen Internierungslager Mühlberg/Elbe 1946, was erst 1955 bekannt geworden und 1999 amtlich bestätigt worden ist. Diese Schicksalsschläge stärkten seinen Willen, sich gegen Widerstände durchzusetzen und auf dem Weg zu selbst gesteckten Zielen auch ungewöhnliche Pfade zu beschreiten.

Noch während der Lehre als Feinoptiker und Feinmechaniker bei Zeiss Ikon bzw. Carl Zeiss trat der fotobegeisterte Jugendliche einer Fotogruppe sowie dem Laienfilmstudio beim Kulturbund bei. Damit legte er den Grundstein für die Fertigkeiten als Fotograf und Regiekameramann, die er immer weiter verfeinerte und verbesserte. 1963 erwarb er das Diplom als Journalist (Redakteur). Zwischen 1954 und 1968 fertigte er als Filmreporter etwa 3.000 Reportagen und Berichte für die „Aktuelle Kamera“ des DDR-Fernsehens. Danach (1970/89) wirkte er als Kameramann bei Industrie- und Werbefilmen mit, bei einigen Streifen wie „Neue Trümpfe aus Lauchhammer“ (1977) führte er auch Regie. Zu seinen Auftraggebern zählten DDR-Fernsehen, DEWAG-Werbung und DEFA-Studio für Trickfilme; als Kameramann engagierten ihn die Filmgruppe IWT-Film (Dresden) und die Arbeitsgemeinschaft Werbefilm Berlin. Regisseure und Filmemacher von Rang wie Hermann Zschoche, Ulrich Teschner und Hans-Günther Kaden (vor 1989) sowie Peter Schamoni (seit 1991) arbeiteten mit ihm zusammen.

Ernst Hirsch mit Gret Palucca, 1957
Ernst Hirsch bei Filmaufnahmen auf dem Theaterplatz, 1956. Foto: Dirk Radig

Seinem ersten eigenen Film zum Zwinger „Barock im Wiederaufbau“ (1952) folgten bald weitere Streifen zu kulturhistorischen Themen. Erwähnt seien nur die Filme über Silbermann-Orgeln in Sachsen (1972), Canaletto (1973), Otto Griebel (1981), Therese Walter-Visino (1983), August Kotzsch (1988), Carl Gustav Carus (1991) und Ludwig Richter (2000). In diesen Arbeiten wird sein besonderer Blick auf Landschaft und Leute, Kunst und Kultur sichtbar. Inspiration fand er in dem nach der Rückkehr der Kunstschätze aus der UdSSR (1956) neu erwachten Dresdner Kunstleben sowie im sinnesfrohen und experimentierfreudigen Künstlerkreis am Elbhang. Sich verändernde Räume in Stadt und Region, interessante Menschen und wichtige Begebenheiten suchte er fotografisch und filmisch zu dokumentieren – und damit vor dem Vergessen zu bewahren. Der von der Journalistin Eva-Ursula Petereit geprägte Begriff „Das Auge von Dresden“ nimmt hierauf Bezug. Unterstützung bei all den Projekten fand er bei seiner Ehefrau und Assistentin Cornelia, in jüngerer Zeit auch bei Sohn Konrad, der künstlerisch und geschäftlich in seine Fußstapfen getreten ist.

Als Ernst Hirsch nach der im Oktober 1989 erfolgten Ausreise aus der DDR und dem Aufenthalt in München 1993 nach Dresden zurückkehrte, schloss sich ein Kreis. Zum einen war die von ihm seit 1969 entwickelte Sammlung alter Dresden-Filme nun überaus gefragt. Sie wurde zur Grundlage eines wiedererwachten bzw. neu gewachsenen Bildwissens über die großstädtische Urbanität und die städtebauliche Qualität der 1945 zerstörten „alten Stadt“. Womit dem Anliegen breiter Kreise der Einwohnerschaft Nachdruck verliehen wurde, den Wiederaufbau der Leitbauten zu vollenden. Mit der Frauenkirche erhielt die Stadt ihr prägendes Wahrzeichen zurück, das nun zugleich zum Symbol für Vergebung und Versöhnung in Europa geworden ist. 1936 selbst in der Frauenkirche getauft, hielt Ernst Hirsch nun deren Wiederaufbau fest. Die Filmdokumentation „Die steinerne Glocke“ mit Aufnahmen aus den Jahren 1993 bis 2005 war zur Weihe des Bauwerks 2005 vollendet.

Ernst Hirsch hat ein dokumentarisch-künstlerisches Gesamtwerk von Rang geschaffen und eine unvergleichliche Kollektion von Filmmaterial aus und über Dresden sowie von historischer Kameratechnik zusammengetragen. Seit der Jahrhundertwende war er vorrangig filmpublizistisch tätig und mit der Ordnung und Digitalisierung seiner umfangreichen Sammlungen von bewegten und unbewegten Bildern aus eigener und fremder Hand beschäftigt. Bis heute gibt es für den an allem Neuen interessierten Mann keinen Stillstand. Der Geschichtsarbeit, der Wissenschaft und dem Kunstbetrieb in- und außerhalb Dresdens steht er jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

Ernst Hirsch in seinem Filmarchiv, Dezember 2013

Seit 2001 ist Hirsch Ehrenmitglied der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche und seit 2005 Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. 2017 erhielt er die Ehrenmedaille der Landeshauptstadt Dresden. Näheres über sein ereignisreiches Leben, über die Stadt, die Arbeit und auch über Privates findet sich in seiner vergnüglich zu lesenden und opulent bebilderten Autobiografie.[1] Dem Jubilar alles Gute!


[1] Ernst Hirsch, Ernst Hirsch. Das Auge von Dresden, Dresden 2017.

Titelbild: Ernst Hirsch mit seiner 35-mm-Kamera „Arriflex“, 2016. Foto: Konrad Hirsch