Die Textilrestauratorinnen des Stadtmuseums Dresden arbeiteten 2002 gerade an einmaligen Teppichen aus dem Federzimmer Augusts des Starken – dann kam plötzlich das Wasser aus den Waschbecken und schnelles Handeln war gefragt. Eine Pumpe aus der Feuerwehrausstellung kam zum Einsatz, Depots wurden geräumt und die Idee für die erste Flut-Ausstellung entstand. Was aus dieser Zeit bleibt, ist die Erinnerung an viel Teamgeist, eine einmalige Hilfsbereitschaft und jede Menge Einfallsreichtum.

„Wir haben damit nicht gerechnet“ – Als das Wasser kam, mussten einmalige Objekte gerettet werden

Interview mit Birgit Seeländer, Textilrestauratorin

BLOG: Wir sitzen hier in der Textilrestaurierungswerkstatt der Museen der Stadt Dresden – ein wunderbar großer heller Raum im Erdgeschoss des Landhauses. Waren Sie auch 2002 hier?

Birgit Seeländer: Nein, wir hatten unsere Werkstatt 2002 im Keller, bereits seit vielen Jahren. Und als das Wasser kam, kam es nicht durch die Fenster, sondern wurde durchs Waschbecken nach oben gedrückt. Das lag wohl daran, dass das benachbarte Polizeigebäude ausgepumpt wurde und das Wasser in die Kanalisation abgeleitet wurde. Dadurch war hier der Druck umso höher. So haben wir es in Erinnerung. Wir haben erst versucht, das Wasser mit Lappen und Eimern irgendwie aufzuhalten, aber irgendwann war es so viel, dass es einfach nicht mehr ging.

Die Textilrestauratorinnen Birgit Seeländer (li.) und Cornelia Hofman in der Restaurierungswerkstatt, die sich von 1976 bis 2002 in den Kelleräume des Landhauses befand.
Die Textilrestaurierungswerkstatt am 15.8.2002

BLOG: Hatten Sie überhaupt damit gerechnet, im Landhaus am Pirnaischen Platz von der Flut betroffen zu sein?

Birgit Seeländer: Wir haben damit natürlich nicht gerechnet, weil man immer denkt, das Wasser kommt von oben. Man bekam dann schon ein komisches Gefühl. Man muss sich vorstellen, wir hatten viele Utensilien und Objekte hier unten im Keller, textile Grabfunde aus der Sophienkirche und Teile des Federzimmers.

BLOG: Wie kann man sich das vorstellen, das Federzimmer in der Werkstatt?

Birgit Seeländer: Das sogenannte Federzimmer ist jetzt im Schloss Moritzburg ausgestellt und es handelt sich dabei um das Prunkbett Augusts des Starken, mit Baldachin, zwei Wandteppichen und einer Supraporte über der Tür – alles aufwändig mit Federn verziert. Wir haben zu dem Zeitpunkt der Flut gerade an den großen Teppichen gearbeitet. Die sollten auseinandergetrennt und gereinigt werden.

BLOG: Wie haben Sie diese einmaligen Objekte gerettet?

Birgit Seeländer: Wir haben sie zuallererst nach oben gebracht. Wir hatten schon vorher Gestelle anfertigen lassen, auf diesen wurden die Teppiche im Ausstellungsraum in der ersten Etage ausgebreitet und gesichert. Im Keller haben wir dann mit allen Kolleginnen und Kollegen eine Kette gebildet und die Werkstatt kontinuierlich ausgeräumt. Einige standen bis zur Hüfte im Wasser. Irgendwann wurden dann die Gitter vor den Fenstern abgeflext, sodass wir die restlichen Objekte und Möbel leichter rausbringen konnten.

Gestell mit Wandteppich in der Ausstellung des Stadtmuseums, 16.8.2002
Nach den Aufräumarbeiten konnte die Federtapete weiter bearbeitet und gereinigt werden. Heute ist sie in der Ausstellung auf Schloss Moritzburg zu sehen. Link zur Ausstellung

BLOG: Wer hat bei der Sicherung der Objekte und den Aufräumarbeiten geholfen?

Birgit Seeländer: Alle haben geholfen, wir waren jeden Tag hier. Und es kamen auch Leute direkt von der Straße und haben gefragt, ob sie helfen können. Bei aller Tragik war das doch das tollste Gefühl, dass plötzlich alle, ohne sich abzusprechen, miteinander waren. Jeder hat etwas zu essen mitgebracht, ohne dass das vorher angesagt worden war. Von der Straße kam eine ältere Dame mit einer großen Kiste Pfannkuchen. Das war verrückt, ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich das erzähle.

BLOG: Welche Stimmung herrschte während der Rettungsaktion?

Birgit Seeländer: Es war natürlich eine ernste Sache, aber mit Humor trägt sich alles viel einfacher. Ich erinnere mich an eine positive Stimmung, zumal wir dann wussten, dass es das Wasser aus der Kanalisation war und nicht das Wasser aus der Elbe. Da hatten andere Häuser ganz andere Probleme.

BLOG: Was ist Ihnen am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben?

Birgit Seeländer: Das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt – das kam von jedem selbst, ohne Ansage. Das hat uns sehr beeindruckt. Dieser Zusammenhalt im gesamten Team hat auch danach noch einige Zeit angehalten.

Aufräumarbeiten am Landhaus, August 2002

Mit der TS8-Pumpe gegen das Wasser

Steffen König, Elektriker

Zuerst kam die Weißeritz. Aus Schächten am Landhaus stieg das Grundwasser und floss langsam in den Keller, wo sich 2002 die Restaurierungswerkstätten und die Tischlerei befanden. Im Stadtmuseum wurde im Erdgeschoss noch die Feuerwehr-Ausstellung gezeigt. Dort war auch die Ausrüstung eines Löschfahrzeugs ausgestellt, inklusive einer TS8-Pumpe. Wir haben also die Pumpe aus der Ausstellung in den Lichtschacht getragen und wollten damit das Wasser aus dem Keller pumpen – doch wir haben sie nicht zum Laufen gebracht. Draußen waren dann schon Feuerwehrleute, einer kannte sich mit der Pumpe aus und hat uns geholfen. So konnten wir einen Teil des eindringenden Wassers auf die Wilsdruffer Straße abpumpen. Wir sind immer wieder mit Kanistern zum Altmarkt gegangen und haben Diesel für den Motor geholt.

Die Tragkraftspritze TS 8/8 aus dem VEB Feuerlöschgerätewerke Jöhstadt (1975) im Einsatz. Zuvor stand sie 20 Jahre lang in der Feuerwehr-Ausstellung des Stadtmuseums.

Doch dann wurde auch das gegenüberliegende Polizeigebäude ausgepumpt und das Wasser in die Kanalisation geleitet – so ist es schließlich bei uns gelandet. Plötzlich kam das Wasser aus den alten Abwasserschächten und den Waschbecken im Keller. Der Höchststand betrug etwa zwei Meter. Auf der Wilsdruffer Straße gab es keinen Strom und keine Beleuchtung mehr. Ich habe damals hier gewohnt. Wir hatten zwar keinen Strom aber einen Gasherd –  der Gefrierschrank war abgetaut und meine Frau hat alles verkocht. Ich bin dann mit Stirnlampe und zwei Tellern zu den Wachleuten rübergegangen, die das Landhaus Tag und Nacht gesichert haben. Die Beräumung des Kellers hat dann noch 3 bis 4 Wochen gedauert, die Elektrik musste getrocknet und teilweise erneuert werden. Anschließend haben wir begonnen, die Weihnachts-Ausstellung vorzubereiten. Und die Pumpe ist wieder in die Feuerwehr-Ausstellung gekommen.

Die Fenstergitter werden aufgesägt, um Objekte schneller bergen zu können. Im Hintergrund die Tragkraftspritze.
Nach der Flut begann das Aufräumen. Steffen König in der Elektrowerkstatt im Keller des Landhauses.


Die erste Flut-Ausstellung

Dr. Holger Starke, Kustos für Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte

Noch unter dem Eindruck der außergewöhnlichen Ereignisse stehend – unmittelbar, nachdem der Dauerregen aufgehört hatte -, entwickelten der Museumsfotograf Franz Zadniček, der Galeriedirektor Dr. Gisbert Porstmann und ich die Idee, das Extremereignis zu dokumentieren. Ausgangspunkt war meine Beobachtung, dass in diesen Tagen alle mit den Auswirkungen der Flut in ihrem unmittelbaren Umfeld zu tun hatten und demzufolge nur ein beschränkter Ausschnitt im Blick war. Ein Gesamtbild war lange nicht zu erlangen. Dramatische Aufnahmen und Berichte in den Medien, vielerlei Gerüchte und Ungewissheiten machten die Runde. Unser künstlerisch geschulter Fotograf sah die Chance auf außergewöhnliche Bilder in ungewöhnlichen Zeiten. Mit Genehmigung der amtierenden Direktorin Dr. Sieglinde Richter-Nickel bereiste er zwei Wochen die Zerstörungsgebiete, während der „Rest“ der Museumsmannschaft die Rettung der gefährdeten Sammlungsstücke und den Schutz der Gebäude übernahm. Parallel hierzu entwickelte ich das Konzept einer provisorischen Ausstellung, die bereits einen Monat nach den Ereignissen öffnete.

Blick in die Sonderausstellung „Die Flut in Dresden“ mit Fotografien von Franz Zadniček.

Neben den Aufnahmen Zadniček enthielt die Ausstellung eine Zusammenstellung aller 193 Meldungen der Landeshauptstadt, die in der Zeit des Notbetriebes abgesetzt worden waren. Hauptattraktion war eine aus unterschiedlichen Quellen zusammengestellte Diapräsentation mit 350 Aufnahmen, die den Verlauf der dramatischen Tage minutiös nachzeichnete. Die ursprünglich nur für einen Monat gedachte Präsentation fand großen Anklang, weshalb sie um einen Monat verlängert wurde.

Die Bilder der Diapräsentation


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